Erster Artikel. Die Knauserei ist ein Fehler.
a) Die Knauserei ist eine Tugend. Denn: I. Wie das Große so bedarf auch das Kleine einer Regelung. Wie also die Prachtliebe, die auf Großartiges sich richtet, eine Tugend ist; so auch die Knauserei, die auf Kleines geht. II. „Die peinliche Sorgfalt in den Rechnungen ist knauserisch.“ (4 Ethic. 2.) Eine solche Sorgfalt aber ist lobenswert. III. „Der Knauser giebt mit Betrübnis sein Geld aus“ (I. c.). Das wäre aber dann dasselbe wie der Geiz. Also ist die Knauserei kein von den anderen unterschiedener Fehler. Auf der anderen Seite stellt Aristoteles (I. c.) die Knauserei gegenüber der Prachtliebe.
b) Ich antworte; vom Zwecke aus vornehmlich erhalten die moralischen Zustände ihren Gattungscharakter. Knauser nun heißt jemand, weil seine Absicht darauf geht, etwas Kleinliches zu machen. Das muß aber verstanden werden gemäß dem Verhältnisse des Kleinlichen zur „Art“ des Werkes, das er thut; wo das Kleine und Große beachtet werden kann 1. von seiten des zu vollbringenden Werkes und 2. von seiten der Ausgaben. Der prachtliebende nämlich will zuerst die Größe des Werkes und dann giebt er acht auf die Größe der Ausgaben, die er um des Werkes willen nicht vermeidet. Der Knauser aber giebt zuerst acht darauf, wie die Ausgaben recht gering werden, „damit er so wenig als möglich verwende“ (l. c.); und erst auf Grund dessen will er das beabsichtigte Werk, wenn nämlich es nicht zu viel kostet. Deshalb sagt Aristoteles: „Das Größte läßt der Knauser im Kleinlichen zu Grunde gehen;“ er verliert nämlich das Gute des großartigen Werkes, weil er nie viel ausgeben will. Und sonach bleibt der Knauser hinter dem Verhältnisse zurück, das vernunftgemäß bestehen muß zwischen dem Werke und den Ausgaben. Der Mangel aber in dem, was der Vernunft gemäß ist, verursacht den Charakter eines Fehlers oder einer Sünde. Also ist die Knauserei offenbar ein Fehler.
c) I. Der Knauser bleibt zurück hinter der Richtschnur der Vernunft. Denn nicht wird Knauser genannt jener, der geringe Ausgaben zu regeln weiß; sondern der, mag es große oder geringe Ausgaben gelten, dabei hinter der Regel der Vernunft zurückbleibt. II. „Die Furcht macht, daß man sich sorgsam berät,“ heißt es bei Aristoteles. (2. de lnv. 5.) Der Knauser also giebt auf die Rechnungen genau acht, weil er das Geringste in dem, was er besitzt, ungeregelterweise zu verlieren fürchtet. Er lenkt demnach seine Neigung nicht nach der Vernunft, sondern umgekehrt läßt er die Vernunft dienen der Regellosigkeit seiner Neigung; und das ist Sünde. III. Wie der prachtliebende mit dem freigebigen es gemein hat, gern und bereitwillig Geld auszugeben; so hat der Knauser es mit dem geizigen gemein, dies ungern und mit Trauer zu thun. Der Geiz aber bezieht sich auf gewöhnliche Ausgaben; die Knauserei dagegen auf große, die man mit mehr Schwierigkeiten macht. Und deshalb ist sie eine kleinere Sünde wie der Geiz: „Das Knausern ist zwar ein Fehler, aber es schadet nicht dem Nächsten und ist nicht schimpflich,“ wie der Geiz. (4 Ethic. 2.)
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