Zweiter Artikel. Die dem Knausern entgegengesetzte Sünde.
a) Eine solche giebt es nicht. Denn: I. Dem Kleinlichen steht gegenüber das Großartige. Die Prachtliebe aber ist eine Tugend und keine Sünde. II. Die Knauserei sündigt auf Grund des Mangels in ihr. Gäbe es also eine ihr entgegengesetzte Sünde, so wäre sie im übermäßigen Aufwand begründet. Das fällt aber Beides zusammen. Denn „wer viel aufwendet, wo er wenig aufwenden sollte; der wendet wenig auf, wo er viel aufwenden sollte“ (l. c.), was Knauserei bedeutet. III. Das Moralische erhält seinen Wesenscharakter vom Zwecke her. Die aber viel Aufwand machen, thun es, um ihren Reichtum zu zeigen, was der Eitelkeit zugehört. Diese nun steht gegenüber der Hochherzigkeit, nach Kap. 131, Art. 2. Also der Knauserei steht keine Sünde gegenüber. Auf der anderen Seite stellt Aristoteles die Prachtliebe in die Mitte zwischen zwei Laster.
b) Ich antworte, „klein“ und „groß“ werde nicht schlechthin, sondern mit Beziehung auf etwas ausgesagt. Wie es nun sein kann, daß die Aufwendungen klein sind mit Beziehung auf ein Werk; so kann es sein, daß die Aufwendungen groß sind im Verhältnisse zum betreffenden Werke, daß sie nämlich dieses Verhältnis, wie die Vernunft es aufstellt, überschreiten. Und in dem Sinne steht offenbar der Knauserei, welche hinter dem Verhältnisse der Aufwendungen zum Werke selber zurückbleibt, gegenüber ein anderer Fehler, vermöge dessen man mehr ausgiebt als das Werk erfordert. Die Griechen nennen diesen βαναυσία oder ἀπυροκαλία. Wir können ihn „Luxus“ nennen.
c) I. Die Prachtliebe macht große Werke; aber sie überschreitet nicht das Verhältnis der Vernunft in den Ausgaben. II. Der Luxus steht entgegen der Prachtliebe von seiten des großen Werkes, worauf der prachtliebende besonders sein Augenmerk richtet; insofern der Luxus da, wo man viel ausgeben sollte, wenig oder nichts ausgiebt. Er steht gegenüber der Knauserei; insofern er mit seinem Aufwande den Wert des Werkes überschreitet, viel nämlich da ausgiebt, wo wenige Ausgaben an der Stelle wären. III. Der Luxus steht zur Knauserei im Gegensatze gemäß dem Wesenscharakter der betreffenden Thätigkeit; denn er überschreitet die Vernunftregel, während die Knauserei hinter dieser zurückbleibt. Dazu kann der Luxus aber noch einen anderen Zweck haben, wie z. B. die eitle Ruhmgier.
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