Erster Artikel. Das göttliche Gesetz bestimmt gebührenderweise die Vorschriften für die Stärke.
a) Dem steht entgegen: I. Im Alten Bunde werden Gebote über die Stärke gegeben. (Deut. 20.) Also mußte dies auch im Neuen Bunde, als in dem vollkommeneren, geschehen. II. Affirmative Gebote stehen höher als negative; denn sie schließen letztere in sich ein. Also mußten nicht bloß negative gegeben werden, welche die Furcht verbieten. III. Die Stärke ist eine Haupttugend. Also mußten die darauf bezüglichen Gebote unter den hauptsächlichen, den zehn Geboten, stehen. Auf der anderen Seite steht die Lehre der heiligen Schrift.
b) Ich antworte, die Vorschriften eines Gesetzes hängen von der Absicht des Gesetzgebers ab. Also gemäß den verschiedenen Zwecken, welche den Gesetzgeber leiten, müssen verschiedene Vorschriften gegeben werden. Deshalb sind auch im Bereiche des rein Menschlichen andere Vorschriften die demokratischen, andere die königlichen und andere die tyrannischen. Der Zweck des göttlichen Gesetzes nun ist, daß der Mensch Gott anhänge. Deshalb werden sowohl über die Stärke wie über die anderen Tugenden Vorschriften gegeben, insoweit dies der Hinordnung des menschlichen Geistes zu Gott entspricht; und somit heißt es Deut. 20.: „Fürchtet sie nicht, denn der Herr euer Gott ist mitten unter euch und wird für euch kämpfen gegen euere Gegner.“ Die menschlichen Gesetze aber haben ihren Zweck in einzelnen zeitlichen Gütern; und werden somit nach deren Beschaffenheit über die Stärke Vorschriften erlassen.
c) I. Der Alte Bund hatte zeitliche Güter als Gegenstand der Verheißungen; und deshalb mußte das Volk auch belehrt werden, wie es körperlich gegen die Feinde streiten solle für seinen irdischen Besitz. Der Neue Bund hat nur geistige Verheißungen; und danach waren die Menschen zu belehren, wie sie zum Besitze der ewigen Seligkeit gelangen sollten, nach Matth. 11.: „Das Himmelreich leidet Gewalt und nur die Gewalt gebrauchen reißen es an sich.“ Darum schreibt Petrus vor (I., ult. 8.): .Euer Gegner geht herum wie ein brüllender Löwe zu suchen wen er verschlinge; ihm widerstehet stark im Glauben;“ und Jakob. (4, 7.): „Widerstehet dem Teufel und er wird vor euch fliehen.“ Und weil durch die Furcht vor zeitlichen Übeln die Menschen vom Streben nach geistigen Gütern abgehalten werden können, schreibt der Heiland vor (Matth. 10.): „Fürchtet nicht jene, die den Leib töten.“ II. Das Gesetz bezweckt in seinen Vorschriften die Belehrung aller. Was aber zu thun ist in den Gefahren, das kann nicht auf etwas Allgemeines oder auf ein für alle gültiges Gut zurückgeführt werden, wie das zu Vermeidende. Deshalb sind die diesbezüglichen Vorschriften mehr negativ wie positiv. III. Die zehn Gebote sind wie allgemeine Principien, welche allsogleich allen bekannt sein müssen. Und deshalb mußten sie in erster Linie die Akte der Gerechtigkeit betreffen, wo offenbarerweise der Charakter des Geschuldeten gefunden wird; nicht aber die der Stärke, denn da ist die Pflicht, keine Furcht zu haben vor Todesgefahr, nicht so offenbar.
