Erster Artikel Der Tod ist eine Strafe der Sünde unserer Stammeltern.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Der Tod ist dem Menschen natürlich; also keine Strafe der Sünde, welche doch nicht die naturgemäße Vollendung, sondern ein Verderben der Natur ist. II. Der Tod und die sonstigen körperlichen Übel finden sich ebensogut im Menschen wie in den Tieren; „das nämliche Ende hat ja der Mensch wie die Tiere und gleich ist die Lage beider.“ (Ekkle. 3.) Für die Tiere ist aber der Tod keine Strafe. p>III. Die Sünde der Stammeltern ging ihre Person lediglich an, während der Tod die ganze menschliche Natur angeht. Also ist er keine Strafe der ersten Sünde. IV. Alle Menschen stammen gleichmäßig von den Ureltern ab; also müßte der Tod für alle der gleiche sein, käme er von den Ureltern. Das ist aber nicht der Fall; denn der eine stirbt schneller oder schwerer wie der andere. V. Das Übel der Strafe ist von Gott. „Den Tod aber hat Gott nicht gemacht.“ (Sap. 1, 13) Also ist er keine Strafe. VI. Die Strafen sind keine Quellen von Verdienst; denn sie stehen im Bereiche des Schlechten und das Verdienst in dem des Guten. Der Tod aber, z. B. der Märtyrer, ist oft verdienstvoll. VII. Die Strafe muß betrüben. Den Tod aber, wenn er da ist, fühlt man nicht; ist er noch nicht da, so kann er auch nicht gefühlt werden. VIII. Die Voreltern haben noch lange gelebt nach der Sünde. Wäre aber der Tod eine Strafe, so würde er gleich über die Voreltern gekommen sein. Auf der anderen Seite steht Röm. 5, 12.: „Durch einen Menschen trat die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod.“
b) Ich antworte, wird jemand auf Grund eigener Schuld einer ihm anvertrauten Wohlthat beraubt, so sei dieser Mangel eine Strafe seiner Schuld. Nun ist (I. Kap. 95, Art. 1 und Kap. 97, Art. 1) dem ersten Menschen die Wohlthat geworden, daß, so lange sein Geist Gott dem Herrn unterthan sei, die niederen Seelenkräfte der Vernunft, der Körper dem Geiste folgen solle. Weil aber der Geist sich durch die Sünde von der Unterwürfigkeit unter Gott entfernte, war die Folge, daß zur Strafe die niederen Seelenkräfte nicht mehr ganz und gar der Vernunft, der Leib nicht mehr durchaus der Seele untergeben war, woraus der Tod und andere Mängel hervorgehen; besteht doch die Unversehrtheit und das Leben des Leibes eben in der Unterwürfigkeit unter die Seele, wie das zu Vollendende dem vollendenden oder bestimmenden Princip untergeben ist. Also gehört der Tod und das andere Elend zum Mangel an Unterwürfigkeit des Leibes gegenüber der Seele. Und somit ist dies Alles Strafe für die erste Sünde.
c) I. Natürlich wird das genannt, was aus den Principien der Natur in einem Dinge verursacht wird. Nun sind die Principien der Natur in einem Dinge die bestimmende Wesensform und der bestimmbare Stoff. Die Wesensform des Menschen aber ist die unsterbliche Seele; und also ist der Tod dem Menschen nicht natürlich gemäß seiner Wesensform. Dagegen ist der stoffliche Leib des Menschen aus Elementen zusammengesetzt, die zu einander im Gegensatze stehen; und daraus folgt mit Notwendigkeit, daß der Körper dem Verderben oder dem Vergehen ausgesetzt ist; mit Bezug darauf also ist der Tod dem Menschen natürlich. Und zwar folgt diese Notwendigkeit deshalb der Zusammensetzung des menschlichen Körpers, weil der menschliche Körper ein Werkzeug sein sollte für das Fühlen oder Empfinden und somit in der Mitte stehen mußte zwischen den verschiedensten fühlbaren Gegenständen, damit er sowohl das Kalte wie das Warme fühlen könne. Dies konnte aber nicht geschehen außer in der Weise, daß er aus einander entgegengesetzten Elementen zusammengesetzt wurde. (2. de anima.) Nicht aber ist diese Lage der körperlichen Beschaffenheit der Grund dafür, daß der Stoff mit einer Wesensform verbunden wird. Denn wäre es möglich, so würde es jeder Wesensform viel mehr entsprechen, wenn der Stoff unvergänglich wäre. So z. B. entspricht dem Wesenscharakter der Säge, daß sie von Eisen sei; und ihrer Aufgabe, durchzuschneiden nämlich, kommt es zu, daß sie geeignet sei, um etwas zu spalten; — daß sie aber auch rosten kann, das kommt von der Notwendigkeit, die mit dem betreffenden Stoffe von vornherein gegeben erscheint und nicht von der Auswahl des sägenden; vielmehr würde dieser, wenn er könnte, für eine Säge sorgen, die nicht zu rosten vermöchte. Gott nun, der allmächtig ist, hat selber unmittelbar den Menschen gemacht; und hat aus Grund seiner Allmacht durch eine specielle Wohlthat dem Menschen die aus dem körperlichen Stoffe folgende Notwendigkeit der Auflösung, des Todes, genommen, Diese specielle Wohlthat nun ist dem Menschen entzogen durch die Sünde der Voreltern. Danach ist der Tod natürlich gemäß der den körperlichen Stoff begleitenden Notwendigkeit; er ist eine Strafe wegen des Verlustes der göttlichen Wohlthat, die den Menschen davor thatsächlich bewahrte, daß er sterbe. II. Jene Ähnlichkeit mit den Tieren richtet sich nur auf die den korperlichen, aus gegenteiligen Elementen zusammengesetzten Stoff begleitende Notwendigkeit; nicht aber auf die Wesensform. Denn die menschliche Seele ist unsterblich, die tierische vergänglich. III. Die ersten Menschen waren nicht allein besondere Personen, sondern Principien des ganzen Menschengeschlechts durch die Zeugung. Und so trifft auf Grund ihrer Sünden nun das ganze Menschengeschlecht das Los, sterben zu müssen. IV. Die Strafe für eine Sünde kann einmal vom Richter bestimmt werden; und solche Strafen müssen die gleichen sein für alle, die in gleicher Weise gesündigt haben. Dann giebt es Strafen, die aus solchen direkt verhängten Strafen nebenbei folgen; wie daß einer, der zur Strafe geblendet worden, nun fällt auf dem Wege. Solche Strafen sind nicht gleichmäßig der Schuld entsprechend und werden vom menschlichen Richter nicht erwogen. So nun war die der Schuld entsprechende Strafe für die erste Sünde die Entziehung der göttlichen Wohlthat, wonach die Unversehrtheit und Geradheit der menschlichen Natur gewahrt wurde. Dieser Strafe aber folgen, wie das Fallen auf dem Wege dem Geblendetsein, der Tod und das andere Elend des Lebens. Derartige Strafen also brauchen nicht in allen gleichmäßig zu sein, auf die gleichmäßig sich die erste Sünde erstreckt. Weil jedoch Gott alle zukünftigen Begebnisse vorausweiß, werden auf Grund der göttlichen Vorsehung verschiedene Strafen in den verschiedenen Menschen gefunden; nicht wegen etwaiger Verdienste oder Mißverdienste, welche diesem Leben vorausgegangen (Orig. 2. Periarch. cap. 9.), wäre dies doch gegen Röm. 9., „da sie noch nichts Böses oder Gutes gethan hatten“ und ebenso gegen die Lehre, daß die Seele nicht vor dem Körper geschaffen worden; — sondern entweder wegen der Sünden der Eltern, insoweit das Kind den Eltern zugehört, so daß sehr oft die Eltern in den Kindern gestraft werden, oder auch wegen des in solchen Strafen gelegenen Heilmittels. Denn dadurch werden so manche vom Sündigen abgehalten; es wird verhindert, daß sie auf ihre Tugenden sich etwas einbilden, und die Krone der Geduld wird somit erworben. V. Der Tod als Übel der menschlichen Natur ist nicht von Gott, sondern ein Mangel, der von der Schuld herrührt. Aber als gerechte Strafe, also insoweit er den Charakter des Guten trägt, ist der Tod von Gott. (Aug. 1. Retr. 2.) VI. „Wie die ungerechten,“ so Augustin (13. de civ. Dei 5.), „sich nicht nur schlecht bedienen der Übel, sondern auch des Guten; so bedienen sich die guten gut nicht nur des Guten, sondern auch der Übel. Deshalb mißbrauchen die bösen das Gesetz, welches doch ein Gut ist; und die guten wissen gut zu sterben, obgleich der Tod ein Übel ist.“ VII. Der Tod kann 1. aufgefaßt werden als der Mangel des Lebens; und so wird er nicht gefühlt; er ist so nicht Strafe für die empfindenden Sinne, da ja deren Empfinden eben mangelt: nicht poena ssensus; sondern er ist Strafe, die im reinen Verluste besteht, poena damni; — 2. als das Verderben und das Vergehen selber, was in dem erwähnten Mangel seinen Abschluß findet. Wird nun da der Tod nicht gerade als der Augenblick genommen, wo zuerst das Leben abwesend ist; sondern zusammen mit den Änderungen im körperlichen Befinden, die unmittelbar vorhergehen, wie man von einem sagt, er sterbe, weil es zum Sterben hingeht, und wie von etwas man sagt, es werde gezeugt, insofern es zum Gezeugtsein hin sich in Bewegung findet; — so ist der Tod etwas auch den sinnlichen Teil Betrübendes. VIII. Augustin sagt (2. sup. Gen. ad litt. 32.): „Dieser Tod trat an jenem Tage ein als man that was Gott verboten hatte; denn an diesem Tage zogen sich die Voreltern die Todeskrankheit zu.“ Oder: „Mögen auch die ersten Menschen noch viele Jahre gelebt haben, nachdem sie gesündigt; an jenem Tage fingen sie an zu sterben, wo sie das Gesetz des Todes, unter welchem sie das Greisenalter erreichen sollten, in sich aufnahmen.“
