Zweiter Artikel. Die besonderen strafen der ersten Sünde. nach Gen. 3.
a) Dieselben sind nicht richtig angegeben. Denn: I. Der Schmerz bei der Geburt würde immer sein; er ist nämlich von der Einrichtung des weiblichen Körpers gefordert. Auch die Unterwerfung des Weibes unter den Mann begleitet die Natur. Das Entstehen von Dornen und Disteln ist ebenfalls etwas rein Natürliches für den Erdboden. Das Alles sind also keine Strafen. II. Das oftmalige Empfangen beim Weibe gehört zu dessen Würde; ist also keine Strafe. III. Die Strafen der ersten Sünde sollen sich auf alle Menschen fortpflanzen. Nicht alle Weiber aber gebären Kinder; und nicht alle Männer arbeiten im Schweiße ihres Angesichts. IV. Das Paradies ward für den Menschen gemacht. Es darf aber nichts unnütz sein in der Natur. Also mit Unrecht wurden die Stammeltern daraus vertrieben. V. Man sagt, der Platz des Paradieses sei unzugänglich. Also unnützerweise wird da ein Cherub mit flammendem Schwerte hingesetzt, um den Eintritt zu verbieten. VI. Nach der Sünde war der Mensch sogleich dem Tode verfallen und konnte ihm die Frucht des Lebensbaumes nichts mehr nützen. Unnütz also ist, was da gesagt wird: „Sehet, daß er nicht etwa nehme vom Lebensbaume und lebe in Ewigkeit.“ VII. Des unglücklichen spotten, das ziemt sich nicht für den Allharmherzigen, dessen „Erbarmungen über alle seine Werke sich ergießen.“ (Ps. 144.) Also ist das völlig unzulässig, was Gott gesagt haben soll: „Siehe, Adam ist wie einer aus uns geworden.“ VIII. Die Kleidung gehört zu den menschlichen Bedürfnissen, nach 1. Tim. ult: „Wenn wir haben, wovon wir essen und womit wir uns kleiden, so seien wir zufrieden.“ Wie also Speise, so war auch Kleidung den Menschen im Paradiese notwendig. Also wird unzulässigerweise gesagt, Gott habe nach der Sünde ihnen Kleider aus Fellen gemacht. IX. Der Vorteil muß bei Strafen für eine Sünde nicht größer sein wie der Nachteil. Dieser Vorteil aber, „daß Adam und Eva die Augen geöffnet wurden“ nach der Sünde, überwiegt alles Elend, was da erwähnt steht. Auf der anderen Seite sind diese Strafen von Gott gewogen, der Alles thut „in Zahl, Gewicht, Maß;“ wie es seiner Weisheit gebührt. (Sap. 11.)
b) Ich antworte; den Stammeltern wurde als Strafe für ihre Sünde die göttliche Wohlthat entzogen, welche für die Unversehrtheit ihrer Natur ein Schutz war; und daraus folgten für die menschliche Natur verschiedene Mängel. Es ward ihnen 1. entzogen der Ort, welcher dieser Unversehrtheit ihrer Natur gebührte, das Paradies (Gen. 3, 23.); und weil sie zu der ersten Unschuld nicht wieder von sich aus zurückkehren konnten, wurden zulässigerweise Hindernisse aufgestellt, damit sie nicht zurückkehrten zu dem, was dem Urzustande gebührte, nämlich zur Frucht des Lebensbaumes und zum Wohnen im Paradiese; — deshalb stellte Gott einen Cherub mit flammendem Schwerte vor das Paradies. Es ward den Stammeltern 2. das zugeteilt, was einer so gefallenen Natur zukam und zwar mit Rücksicht auf den Körper gemäß dem verschiedenen Geschlechte. Da das Weib mit dem Manne verbunden ist wegen der Zeugung und wegen der Gemeinsamkeit des häuslichen Verkehres, so wurde sie
a) bestraft mit den Beschwerden vor und mit den Schmerzen bei der Geburt: „Ich werde vervielfältigen deine Kümmernisse und deine Geburten; in Schmerzen sollst du gebären.“ Und
b) bezüglich des häuslichen Verkehrs mit dem Manne ward sie bestraft durch die Unterwürfigkeit unter den Mann: „Unter der Gewalt des Mannes wirst du sein.“ Der Mann aber soll das zum Leben Notwendige besorgen. Und bezüglich dessen wird er bestraft
a) durch die Unfruchtbarkeit der Erde: „Verflucht sei die Erde um deinetwillen;“
b) durch die Angst und Mühe bei der Arbeit: „Im Schweiße deines Antlitzes sollst du dein Brot essen;“
c) durch die Hindernisse, die vom Erdboden kommen: „Disteln und Dornen soll er dir tragen.“ Mit Rücksicht auf die Seele wird 3. die Strafe beschrieben. Und zwar war eine solche
a) die Scham, die sie fühlten, als sie sahen, sie seien nackt; als sie nämlich die Empörung des Fleisches gegen den Geist wahrnahmen: „Und ihre Augen wurden offen und sie erkannten, daß sie nackt seien;“
b) der Vorwurf, den sie wegen ihrer Schuld zu hören hatten: „Siehe, Adam ist geworden wie einer von uns;“
c) die Erwähnung des drohenden Todes: „Staub bist du und in Staub wirst du zurückkehren.“ Dazu gehört auch, daß Gott ihnen Felle zur Bekleidung machte zum Zeichen ihrer Sterblichkeit.
c) I. Im Urzustande wäre die Geburt ohne Schmerzen verlaufen: „Wie zur Befruchtung nicht die Begierde gereizt, sondern der freie Wille beide verbunden hätte, so hätten den Mutterschoß nicht die Geburtswehen, sondern die Reife der Frucht hätte ihn erweitert.“ (Aug. 14. de civ. Dei 26.) Auch im Paradiese hätte wohl der Mann die Frau geleitet; jetzt aber muß das Weib gegen ihren eigenen Willen dem Gebote des Mannes gehorchen. Disteln und Dornen hätten vor der Sünde nur zur Nahrung der Tiere gedient, nicht zur Strafe und zur Vermehrung der Mühe für den Menschen. (3. sup. Gen. ad litt. 18.) Alcuin freilich sagt, die Erde hätte vor der Sünde gar keine Disteln und Dornen hervorgebracht; doch ist die Meinung Augustins vorzuziehen. II. Nicht wegen der vielen Kinder wird dies gesagt, da ja auch im Stande der Unschuld die Zeugung gewesen wäre; sondern wegen der vermehrten Beschwerden und Kümmernisse, die damit verbunden sind. III. Diese Strafen erstrecken sich gewissermaßen auf alle. Denn jedes Weib, das empfängt, gebiert mit Schmerzen; ausgenommen die seligste Jungfrau, die ohne verletzt zu werden empfing und ohne Schmerz gebar, weil ihre Empfängnis nicht gemäß dem Gesetze der Natur, nicht also von Adam her abgeleitet war. Wenn aber eine nicht empfängt und nicht gebiert, so hat sie den Mangel an Fruchtbarkeit, der jene anderen Mängel noch überwiegt. Wer die Erde bebaut, muß im Schweiße seines Antlitzes sein Brot essen. Die anderen haben andere Arbeiten; denn „der Mensch ist geboren zur Arbeit.“ Sie essen das von anderen unter großer Mühe erzielte Brot mit diesen anderen. IV. Jener Platz des Paradieses dient allerdings nicht mehr dem Menschen zum Gebrauche. Aber er dient als Beweis, daß der Mensch erkenne, wegen der Sünde sei er eines solchen Ortes beraubt worden; und zudem wird er durch das, was im irdischen Paradiese war, belehrt über das, was zum himmlischen Paradiese gehört. V. Abgesehen vom geistigen Sinne scheint dieser Ort vorzugsweise unzugänglich zu sein aus Grund der heftigen Hitze in dem dazwischenliegenden (zwischen uns und dem Paradiese) Raume. Dies wird bezeichnet durch das flammende Schwert, welches flammend genannt wird wegen der Eigenheit der Kreisbewegung, die solche Hitze verursacht. Und weil die Bewegung der körperlichen Kreatur gelenkt wird durch den Dienst der Engel (Aug. 3. de Trin. 4.); deshalb wird zum flammenden Schwerte hinzugefügt der Cherub zum Behüten des Lebensbaumes. Darum bemerkt Augustin (11. sup. Gen. ad litt. 40.): „Dies darf man voraussetzen, es sei auch im Paradiese durch die himmlischen Gewalten geschehen, daß nämlich durch den Dienst der Engel daselbst sich fand gewissermaßen ein Schutz durch Feuer.“ VI. „In Ewigkeit“ heißt da „lange Zeit“; denn der Genuß des Lebensbaumes hätte nach der Sünde die Sterblichkeit des Leibes nicht gehindert. Das aber wäre dem Menschen nicht förderlich gewesen, in den Drangsalen dieses Lebens länger zu verbleiben. VII. Nach Augustin (11. sup. Gen. ad litt. 39.) „dienen diese Worte nicht zum Ausdrucke des Spottes, sondern dazu, den übrigen Schrecken einzujagen, daß sie nicht stolz sich überheben, wenn sie das Geschriebene lesen; denn Adam ist nicht nur nicht geworden, was er sein wollte, sondern hat auch nicht Jenes behütet, wozu er gemacht worden war.“ VIII. Die Kleidung dient jetzt zum Schutze gegen Kälte und Hitze; und zum Schutze gegen die Scham, welche von der Empörung des Fleisches gegen den Geist herrührt. Der Schutz gegen dieses Beide aber war im Paradiese nicht notwendig; denn der Mensch konnte in jenem Zustande nicht von außen her verletzt werden und „Adam und Eva waren nackt, und erröteten nicht.“ (Gen. 2, 25.) Die Speise aber war, wegen der Erhaltung der inneren Wärme, immer notwendig. IX. „Die Stammeltern wurden nicht mit geschlossenen Augen geschaffen, da ja geschrieben steht: Und Eva sah, daß der Baum schön war zum Anschauen und gut zum Essen. Die Augen vielmehr wurden geöffnet, um etwas zu sehen, was sie früher nicht wahrgenommen hatten; nämlich für die gegenseitige böse Begierlichkeit, die früher nicht da war.“ (Aug. 11. sup. Gen. ad litt. 31.)
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