Erster Artikel. Mit Rücksicht auf den äußeren Schmuck besteht eine Tugend.
a) Dem widerspricht Folgendes: I. All dieses Äußere hat seinen Grund nicht in der Natur, sondern wechselt nach Zeit und Ort. So sagt Augustin (3. de doctr. christ. c. 12.): „Talare und Ärmel zu haben war eine Schmach bei den alten Römern; jetzt aber ist dies gar keine Schmach mehr für die höherstehenden.“ Die Tugend aber ist der Anlage nach in der Natur begründet. (2 Ethic. 1.) II. Wäre hier eine Tugend angebracht, so würde ein „zuviel“ und ein „zuwenig“ gefunden werden. Die Priester selbst aber am Altare haben die kostbarsten Gewänder; und andererseits sagt Paulus von den Heiligen: „Mit Ziegenfellen bekleidet irrten sie umher.“ (Hebr. 11.) III. Hier ist offenbar keine theologische Tugend, denn eine solche hat unmittelbar Gott zum Gegenstande; es kann auch nicht von einer Tugend in der Vernunft die Rede sein, denn eine solche findet ihre Vollendung in der Erkenntnis einer Wahrheit; und ebenso kann unmöglich eine moralische Tugend angenommen werden, wie deren bis jetzt und 2 Ethic. 7. aufgezählt worden. Also besteht mit Rücksicht auf den äußerlichen Prunk keine Tugend. Auf der anderen Seite gehört die Ehrbarkeit zur Tugend. Eine gewisse Ehrbarkeit und Wohlanständigkeit aber tritt hervor in der äußeren Erscheinung, nach Ambrosius (1. de offic.): „Der Anstand des Körpers sei nicht gekünstelt, sondern natürlich; einfach, mehr vernachlässigt wie gesucht; nicht durch prachtvolle, kostbare Kleider gehoben, sondern mit gewöhnlichen angethan, daß der Ehrbarkeit und dem Bedürfnisse nichts fehlt, der Glanz aber vermieden wird.“
b) Ich antworte, in den äußeren Dingen selber sei nichts Lasterhaftes; wohl aber im Menschen, der sich ihrer schlecht bedient. Das kann nun in zweifacher Weise stattfinden: 1. Mit Rücksicht auf die Gewohnheit der Menschen, mit denen man zusammenlebt, wonach Augustin sagt (3. Conf. cap. 8.): „Jeder Teil, der seinem Ganzen nicht entspricht, ist schändlich;“ — 2. mit Rücksicht auf die innere Neigung, wonach der Mensch mit zu großer Begierde die äußeren Dinge gebraucht, mag das Gebrauchen selber der Gewohnheit der anderen entsprechen oder nicht. Deshalb schreibt Augustin (3.de dorct. christ. 12.): „Im Gebrauchen der Dinge soll die Begierde fernbleiben^ welche nicht nur das für alle Gewohnte mißbraucht; sondern auch oft die Grenzen des Gewohnten überschreitend ihre Häßlichkeit, die unter den Riegeln der allgemeinen Sitte verborgen war, in überaus schändlichem Ausbruche offenbar macht.“ In dreifacher Weise nun findet sich ein solches Übermaß in der innerew Neigung: 1. insoweit jemand durch schöne Kleider u. dgl. Ehre sucht bei den Menschen; weshalb Gregor (koiu. 40. in Nv^i.) sagt: „Es giebt deren, die da meinen, das Suchen nach prachtvollen, kostbaren Kleidern sei keine Sünde; wenn dies wahr wäre, so hätte doch wahrlich der Herr nicht so scharf es. ausgedrückt, daß der Reiche, der in der Hölle gequält wurde, mit Purpur und feinem Leinen bekleidet war. Niemand nämlich sucht Kleider, die an Kostbarkeit feinen Stand überragen, außer um der eitlen Ruhmgier willen;“ — 2. insoweit der Mensch durch überflüssige Kleider Ergötzung sucht, denn das Kleid wärmt den Körper; — 3. insoweit einer allzu große Sorge trägt für sein Äußeres, wenn auch der rechte Zweck dabei obwaltet. Und mit Bezug darauf nimmt Andronicus drei Tugenden betreffs des Äußeren an: die Demut, welche die Absicht auf eitlen Ruhm ausschließt; das Genügen^ was die Pflege der körperlichen Weichlichkeit ausschließt (1. Tim. ult. 3.)„ und die Einfachheit, welche die überflüssige Sorge ausschließt. Von feiten des „zuwenig“ kann jedoch ebenfalls gefehlt werden: insoweit der Mensch zu nachlässig ist, um für fein Äußeres zu sorgen, damit er, wie es sich gebührt, äußerlich auftrete; in diesem Sinne sagt Aristoteles (7 Ethic. 7.), es gehöre dies zur Weichlichkeit, daß jemand sein Kleid auf der Erde nachschleppe und nicht sich mühe, es aufzuheben; — insoweit jemand das zu vernachlässigte Äußere dem Zwecke der eitlen Ruhmgier dienen läßt; weshalb Augustin sagt (2. de serm. Dom in monte 12.): „Nicht nur in der Pracht und der Kostbarkeit sei Sünde, sondern auch die, schmutzigen Lappen, mit denen man bedeckt ist, dienten der Prahlerei; und diese letztere sei um so gefahrvoller als sie unter dem Namen des Dienstes Gottes in die Irre führt.“ Und Aristoteles sagt (4 Ethic. 7.): „Das Über maß und der ungeregelte Mangel gehört zur Prahlerei.“
c) I. Der Vernunft gehört es von Natur zu, daß sie gemäß den Umständen von Zeit und Ort den äußeren Prunk mäßige; und danach sind wir von Natur geeignet, diese Tugend in uns aufzunehmen. II. Die in hohen Ämtern stehenden oder die Diener des Mari gebrauchen kostbare Kleider, um die Erhabenheit ihres Amtes und de Dienstes Gottes zu bezeichnen. Deshalb sagt Augustin (3. de doctr. christ. c. 12) : „Wer der äußeren Dinge sich so bedient, daß er die Grenzen der Gewohnheit unter den guten, bei denen er lebt, überschreitet, der bezeichnet dadurch entweder etwas Besonderes oder er sündigt, insofern er aus Weichlichkeit oder aus Ruhmgier so thut.“ Aber auch von feiten des „zuwenig“ kann da Sünde sein. Nicht zwar daß jener, der verächtlichere Kleider trägt wie die anderen, immer damit sündigte; er sündigt aber, wenn er es aus Stolz oder Prahlerei thut, damit er sich den anderen vorziehe; und ist dies dann die Sünde abergläubischer Gebräuche. Er übt die Tugend der Mäßigkeit dagegen, wenn er es thut, um fein Fleisch abzutöten oder aus Demut. Deshalb sagt Augustin (1.
c): „Wer sparsamer der vergänglichen Dinge sich bedient als es die Sitten derer, mit denen er lebt, mit sich bringen, der ist entweder mäßig oder abergläubisch.“ Ärmlicher Kleider aber sollen sich vorzugsweise jene bedienen, die andere mit Wort und Beispiel zur Buße ermahnen; wie die Propheten thaten, von denen Paulus spricht. Darum sagt die Glosse zu Matth. 3. (ipse autem Joannes): „Wer Buße predigt, soll das Gewand der Buße tragen.“ III. Solch äußere Erscheinung ist ein Zeichen gewissermaßen der inneren Beschaffenheit des Menschen. Also gehört diese Tugend zur Tugend der Wahrheit.
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