Erster Artikel. Jene, denen die Sprachengabe verliehen wurde, sprachen in allen Sprachen.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Was göttlicher Kraft in eigenster Weise gedankt wird, ist vollkommen in seiner Art, wie der wunderbare Wein bei der Hochzeit von Kana ein guter war. Die aber die Sprachengabe erhalten hatten, sprachen besser in ihrer Muttersprache. Denn die Glosse zu Hebr. 1. sagt: „Man darf sich nicht wundern, daß der Brief an die Hebräer von höherer Beredtsamkeit leuchtet wie die anderen Briefe; denn natürlicherweise ist ein jeder stärker und gewandter in seiner Muttersprache. Die anderen Briefe hat Paulus in einer fremden, der griechischen Sprache, geschrieben, diesen aber hebräisch.“ Nicht also erhielten durch die Sprachengabe die Apostel die Kenntnis aller Sprachen von Gott. II. Gott konnte machen, daß die Apostel eine Sprache sprächen und von allen verstanden würden; weshalb zu Actt. 2. (Audiebat) Beda bemerkt: „Entweder sprachen sie in aller Sprachen oder sie sprachen die ihrige und wurden von allen verstanden, als ob jeder die seinige hörte.“ Also war es unnütz, daß sie alle Sprachen wußten. III. Alle Gnaden fließen von Christo aus, nach Joh. 1.: „Von seiner Fülle haben wir alle empfangen.“ Von Christo aber wird nirgends gelesen, daß er einer anderen Sprache sich bedient habe als der seinigen. Also floß auch von Ihm nicht in die Jünger die Gnade, aller Sprachen zu sprechen. Auf der anderen Seite heißt es Act. 2.: „Alle wurden angefüllt vom helligen Geiste und fingen an, in verschiedenen Sprachen zu sprechen, wie der heilige Geist ihnen die Rede eingab;“ wozu Gregor (30. in Evgl.) bemerkt: „Der heilige Geist erschien über den Jüngern in feurigen Zungen und gab ihnen die Kenntnis aller Sprachen.“
b) Ich antworte, die ersten Jünger Christi wurden dazu auserlesen, daß sie „in alle Welt gingen“ und allen Völkern den Glauben Christi verkündeten. (Matth. ult.) Es schickte sich aber nicht, daß jene, die alle anderen belehren sollten, nun zuerst des Unterrichts bedurft hätten, wie sie zu ihnen sprächen, um verstanden zu werden: „Die da wie der Sturmwind ausgehen von Jakob,“ also von einem einzigen Volke, „werden das Antlitz der Erde anfüllen mit Samen,“ sagt Isaias 27. Zudem waren jene, die ausgingen, arm und ohnmächtig und hätten schwerlich gefunden, wer ihre Worte den unbekannten Völkern in deren Sprache übertragen haben würde, zumal sie ja zu ungläubigen gesandt wurden; ebensowenig hätten sie die Reden der anderen verstanden. Und sonach war es erforderlich, daß zu diesem Zwecke ihnen die Sprachengabe verliehen wurde. Wie also, da die Völker zum Götzendienste abfielen, eingeführt ward die Verschiedenheit der Sprachen (Gen. 11.), so wurde, da sie zur Verehrung des einen Gottes zurückgeführt werden sollten, als Heilmittel angewandt die Gabe, alle verschiedenen Sprachen zu sprechen.
c) I. Nach 1. Kor. 12. gilt „das Offenbarmachen des Geistes dem. Besten der anderen.“ Soweit also waren Paulus und die anderen Apostel, anderer Sprachen mächtig als genügte, die Menschen vom Glauben Christi zu überzeugen. Was aber den Schmuck und die Zierlichkeit der Ausdrucksweise anbelangt, kannte Paulus am besten seine Muttersprache. So waren auch alle Apostel in der Weisheit und Wissenschaft hinreichend unterrichtet, soweit es galt, die Glaubenslehre zugänglich zu machen; nicht aber erstreckte sich dies auf die Wissenschaft der Grammatik, Geometrie etc. II. Freilich konnte Beides geschehen. Aber es war zukömmlicher, daß. die Apostel die verschiedenen Sprachen kannten, weil sie so nicht nur reden, sondern auch die ungläubigen verstehen konnten. Hätten aber alle die eine Sprache der Apostel verstanden, das hätte entweder in der Sprachkenntnis der Hörer seinen Grund gehabt oder es wäre wie eine Täuschung gewesen, da die Worte der Apostel anders zu den Ohren der Hörer gekommen wären wie sie die Apostel ausgesprochen hätten. Deshalb „ist es durch ein größeres Wunder geschehen, daß sie aller Sprachen mächtig waren“ (Beda); und Paulus „dankt seinem Gotte, daß er aller Sprachen spricht.“ (1. Kor. 14.> III. Christus wollte in eigener Person nur einem Volke, den Juden, predigen. Also brauchte er nicht anderer Sprachen sich zu bedienen. Und „deshalb, da auch jetzt der heilige Geist empfangen wird,“ so Augustin (32. in Joan.), „spricht doch niemand aller Sprachen. Denn die Kirche selbs spricht in den Sprachen aller Völker; und wer nicht in der Kirche ist, der empfängt nicht den heiligen Geist.“
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