Erster Artikel. Es war zuköminlich, daß Gott Fleisch annahm.
a) Das Gegenteil wird behauptet. Denn: I. Da Gott von Ewigkeit her das Wesen selber der Güte ist, so ist es das Beste, daß Er so ist, wie Er von Ewigkeit Sein hat. Von Ewig' keit aber war Gott nicht im Fleische. Also war es im höchsten Grade zu- kömmlich, daß Er nicht Fleisch annahm; somit war es nicht zukömmlich, daß Er Fleisch annahm. II. Wenn, zwei Dinge eine unendliche Entfernung trennt, so werden sie unzukömmlicherweise verbunden; wie z. B. es schon unzukömmlich wäre, wenn jemand ein Bild malen wollte, in welchem mit dem Haupte eines Menschen der Rücken eines Pferdes verbunden sein würde. Gott aber und das Fleisch sind durch eine unendliche Entfernung voneinander getrennt; denn Gott ist im höchsten Grade einfach, das Fleisch und zumal das menschliche im höchsten Grade zusammengesetzt. Also war es unzukömmlich, daß Gott Fleisch annahm. III. Der Körper ist in ähnlicher Weise geschieden vom höchsten Geiste wie die Bosheit von der höchsten Güte. Daß Gott aber, die höchste Güte, die Bosheit annähme, wäre durchaus unzukömmlich. Also ist es unzukömmlich, daß Gott Fleisch wird. IV. Unzukömmlich ist es, daß, wer Großes überragt, in etwas Kleinem enthalten sei und daß, wer für große Dinge zu sorgen hat, mit Kleinigkeiten sich befaßt. Gott aber trägt Sorge für das gesamte All und die ganze Welt reicht nicht hin, um Ihn zu umfassen. Also scheint es unzukömmlich, daß, wie Volusianus schreibt an Augustin (ep. 135. Inter op. Aug.), „im kleinen Körper eines Kindes verborgen sei, für den etwas Kleines ist das gesamte All; und so lange Zeit von seinen Sitzen fern bleibe der Weltregierer, damit Er die Vorsorge für die ganze Welt übertrage auf ein kleines Körperchen.“ Auf der anderen Seite erscheint es im höchsten Grade zukömmlich, daß durch das Sichtbare dargethan werde jenes Unsichtbare, was Gott eigen ist. Denn dazu ist nach Röm. 1. die ganze Welt gemacht, „daß das Unsichtbare Gottes, durch das was gemacht ist verstanden, geschaut werde.“ Wie aber Damascenus sagt (3. de orth. fide 1.), wird durch das Geheimnis der Menschwerdung dargethan zu gleicher Zeit und auf einmal die Güte und die Weisheit und die Gerechtigkeit und die Macht oder Kraft Gottes; und zwar „die Güte, weil Gott nicht verachtete die Schwächlichkeit dessen, was Er selbst gebildet; die Gerechtigkeit, weil Er, nachdem der Mensch überwunden war, nur durch einen Menschen wieder den Tyrannen besiegen ließ und nicht mit Gewalt den Menschen dem Tode entriß; die Weisheit, weil Gott für einen überaus mit Schwierigkeiten verknüpften Preis die geziemendste Weise fand, ihn zu bezahlen; die Macht oder seine unendliche Kraft, weil es nichts Größeres giebt, als daß Gott Mensch werde.“ Also war es zukömmlich, daß Gott Mensch wurde.
b) Ich antworte, einem jeden Wesen sei alles das zukömmlich, was zu seiner Natur im entsprechenden Verhältnisse steht; wie z. B. dem Menschen es zukömmlich ist, durch vernünftiges Schließen vom Einen zum Anderen vorzugehen; denn dies entspricht durchaus seiner Natur. Nun ist die Natur Gottes nichts Anderes wie das Wesen der Güte, nach Dionysius (1. de div. nom.). Also steht dies im entsprechenden Verhältnisse zum höchsten Gute, daß dieses sich in der höchsten Weise dem Geschöpfe mitteilt. Und dies geschieht an erster Stelle dadurch, daß Gott „eine geschaffene Natur in der Weise mit Sich verbindet, daß eine einige Person werde aus dreien: dem Worte, der Seele und dem Fleische“ (13. de Trin. 17 ).
c) I. Die heilige Menschwerdung hat sich nicht in der Weise vollzogen, daß Gott irgendwie im Zustande oder in der Beschaffenheit seines Seins geändert worden ist, in dem Er von Ewigkeit her war. Vielmehr geschah dies so, daß Er in einer neuen Weise Sich mit der Kreatur vereinigte oder genauer diese zu Sich, zu einer neuen Art Einheit erhob; dies aber ist etwas Zukömmliches, daß die von Natur veränderliche Kreatur nicht immer in der nämlichen Weise sich verhält. Wie also die Kreatur begonnen hat, zu sein, nachdem sie vorher nicht war; so ward sie in durchaus zukömmlicher Weise mit Gott in der zweiten Person verbunden, da früher solche Art Einigung nicht bestand. II Mit Gott vereinigt zu werden gemäß der Einigung in der Person war dem menschlichen Fleische nicht zukömmlich gemäß der Seinsbeschaffenheit seiner Natur; denn es ragte dies über die Bedeutung der Natur hervor. Gott aber war dies zukömmlich gemäß der unendlichen, über Alles hervorragenden Fülle seiner Güte, daß Er das menschliche Fleisch mit Sich vereinigte für das ewige Heil des Menschen. III. Was auch immer für eine Seinsbeschaffenheit, welcher gemäß irgend eine Kreatur sich unterscheidet vom Schöpfer, es ist; sie rührt von der göttlichen Weisheit her und hat zum Zwecke die Güte Gottes. Denn auf Grund seiner Güte brachte Gott, der da ungeschaffen, unbeweglich und unkörperlich ist, hervor körperliche und der Bewegung unterliegende Kreaturen. Ebenso ist das Übel der Strafe ein Werk Gottes, das von der göttlichen Gerechtigkeit ausgeht und die Verherrlichung und Ehre Gottes zum Zwecke hat. Das Übel der Schuld aber wird dadurch begangen, daß man sichentfernt von der Kunst und dem Plane der göttlichen Weisheit und von der Ordnung der göttlichen Güte. Und danach konnte es Gott wohl zukömrnlich sein, zu Sich in persönlicher Einheit zu erheben eine geschaffene, körperliche, der Bewegung und Veränderlichkeit unterliegende und mit Strafen heimgesuchte Natur; nicht aber war es zukömmlich, daß Er das Übel der Schuld in die Gemeinschaft mit Sich annahm. IV. Darauf antwortet Augustin (ep. 136. ad Vous.): „Nicht ist dies in der christlichen Glaubenslehre enthalten, als ob Gott so mit dem menschlichen Fleische sich vereinigt habe, daß Er darüber die Vorsorge für die Weltregierung daran gegeben oder verloren oder auf ein kleines Körperchen wie in gewisse Grenzen übertragen hätte; das hieße, nur wie ein Mensch meinen in rein menschlicher Weise, wonach man nichts als Körperliches sich vorstellen kann. . . Gott ist groß, nicht durch seinen Umfang, sondern durch seine Kraft. Daher ist die Größe seiner Kraft, selbst im engsten Raum, keinerlei Beengung zugänglich. Denn wenn schon das vorübergehende Wort eines Menschen von vielen gehört wird und ganz von jedem einzelnen; wie soll es dann unglaublich sein, daß das immer dauernde Wort Gottes zugleich ganz sei überall.“ Sonach folgt aus der Menschwerdung des göttlichen Wortes nichts Unzukömmliches.
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