Erster Artikel. Die menschliche Natur war von sich aus am meisten geeignet, angenommen zu werden.
a) Sie war nicht mehr dazu geeignet wie jede andere. Denn: I. Augustinus sagt (ep. 138 ): „In wunderbaren Werken besteht der ganze Grund, um sie zu thun, in der Macht dessen, der sie vollbringt.“ In der Menschwerdung also, dem wunderbarsten Werke Gottes, ist der alleinige Grund, daß Er die menschliche Natur angenommen und nicht eine andere, die Macht, welche Er besitzt und welche man nicht beschränken soll. II. Die Ähnlichkeit (Art. 8.) soll dazu beitragen, daß eine bestimmte Person die menschliche Natur angenommen hat. Wie aber in der vernünftigen Natur gefunden wird die Ähnlichkeit des Bildes, so in der vernunftlosen die Ähnlichkeit der Spur Gottes. Also steht da die beiderseitige Natur von sich aus auf gleicher Stufe. III. In der Engelnatur ist die Ähnlichkeit noch größer wie in der menschlichen, nach Gregor zu Ezech. 28, 12.: „Du, der Stempel der Ähnlichkeit“ (hom. 34.). Ebenso findet sich in den Engeln die Sünde, nach Job 4.: „In seinen Engeln fand Er Bosheit.“ Also war die Engelnatur zum mindesten so geeignet von sich aus, um angenommen zu werden wie die menschliche. IV. Da Gott die höchste Vollendung gebührt, so ist Gott etwas um so ähnlicher als es vollendeter ist. Das ganze All aber ist vollendeter wie seine einzelnen Teile, unter denen die menschliche Natur sich findet. Also ist das ganze All mehr geeignet, von Gott zur Einheit in der Person angenommen zu werden wie die menschliche Natur. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 8. von seiten der göttlichenWeisheit: „Mein Ergötzen ist es, mit den Menschenkindern zu sein;“ woraus eine gewisse Zukömmlichkeit für die menschliche Natur sich ergiebt, von Gott angenommen zu werden.
b) Ich antworte; ein solches Geeignetsein, angenommen zu werden zur Einheit der Person in Gott kann nicht bezogen werden auf irgend ein empfangendes natürliches Vermögen; denn ein solches erstreckt sich nur auf die natürliche Ordnung, die überragt wird durch die besagte Einigung mit einer Person in Gott. Es bleibt also nur übrig, daß ein solches Geeignetsein verstanden wird gemäß einer gewissen Zukömmlichkeit für die besagte Einigung. Eine solche Zukömmlichkeit nun wird gemäß zweierlei in der menschlichen Natur erwogen: nämlich gemäß deren Würde und gemäß deren Bedürfnis oder Notwendigkeit: Gemäß der Würde; weil die menschliche Natur als mit Vernunft und Einsicht begabt von sich aus geeignet ist, irgendwie das göttliche Wort selber durch ihr Thätigsein zu erreichen, durch Kenntnis nämlich und Liebe; — gemäß dem Bedürfnisse, weil sie wegen der Erbsünde eine Wiedererneuerung notwendig hatte. Beides zusammen kommt nur der menschlichen Natur zu: der vernunftlosen kommt die besagte Würde nicht zu; der Engelnatur nicht das genannte Bedürfnis oder die Zukömmlichkeit einer solchen Notwendigkeit.
c) I. Man spricht von den Kreaturen und nennt sie geeignet gemäß dem, was ihnen zukommt nach den ihnen eigens entsprechenden unmittelbaren Ursachen; nicht nach den ersten und allgemeinen Ursachen. So nennen wir eine Krankheit unheilbar; nicht weil Gott sie nicht heilen kann, sondern weil sie nach den eigenen Principien der Natur des kranken und den diesen entsprechenden Ursachen der Krankheit nicht geheilt werden kann. In dieser Weise also wollen wir nicht etwas der göttlichen Macht entziehen, wenn wir sagen, eine Natur sei nicht geeignet, angenommen zu werden; sondern wir sprechen von der Seinsbeschaffenheit der betreffenden Natur, ob diese dafür aus sich heraus ein Geeignetsein darbietet. II. Die Ähnlichkeit des Bildes in der menschlichen Natur will sagen, daß sie durch eigenes Thätigsein Gott erkennen und lieben könne; die Ähnlichkeit der Spur, daß eine Wirkung Gottes da sei, also eine Mitteilung seitens der wirkenden göttlichen Kraft, so zwar, daß die vernunftlose Kreatur, in welcher nur eine solche letztere Ähnlichkeit sich findet, Gott durch ihr alleiniges Thätigsein, also durch Erkennen und Lieben, in keiner Weise erreichen kann. Was nun im Minderen schon mangelhaft ist, das hat von sich aus kein Geeignetsein für etwas Größeres; wie ein Körper, der nicht geeignet ist, durch die Sinnenseele vollendet zu werden, noch weniger dies ist mit Rücksicht auf die vernünftige Seele. Nun ist weit größer und vollendeter die Einigung mit Gott gemäß dem persönlichen Sein wie gemäß dem Thätigsein. Sonach hat die unvernünftige Kreatur, welche bereits der Einigung mit Gott vermittelst der Thätigkeit ermangelt, noch weit weniger ein Geeignetsein dafür daß sie mit Gott verbunden werde gemäß dem persönlichen Sein. III. Manche sagen, die Engelnatur sei nicht geeignet, angenommen zu werden, weil sie mit Bezug auf den Charakter der Person von Anfang an vollendet ist, nämlich als unzugänglich dem Erzeugen und dem Vergehen. Es müßte also, sollte sie in die Einheit der Person von Gott angenommen werden, ihre Persönlichkeit zuerst zerstört werden; was weder der Unvergänglichkeit der Engelnatur zukommt noch der Güte Gottes, der sie annehmen sollte, daß Er nämlich etwas zur Vollendung der Natur Gehöriges, ehe Er sie annimmt, verderbe. Dem gegenüber kann gesagt werden, daß Gott eine neue Engelnatur hervorbringen und sie mit Sich verbinden könnte, wo nichts Vorherbestehendes zerstört werden würde. In allen Fällen fehlt bei der Engelnatur das Geeignetsein von seiten des Bedürfnisses oder der Notwendigkeit; denn obgleich manche Engel in Sünden sind, ist doch deren Sünde unheilbar, nach I. Kap. 64, Art. 2. IV. Die Vollendung des All ist nicht die Vollendung einer Person oder von etwas Fürsichbestehendem; sondern es ist eine Einheit nur der Lage oder der Ordnung nach. Und zudem sind höchst viele Teile des All nicht geeignet, angenommen zu werden. Also bietet nur die Menschnatur von sich aus ein Geeignetsein, um von Gott in die Einheit der Person angenommen zu werden.
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