Dritter Artikel. Die göttliche Person hat nicht einen Menschen angenommen.
a) Das Gegenteil wird dargethan. Denn: I. Ps. 64. heißt es: „Selig jener, den Du erwählt und angenommen hast,“ was die Glosse (Aug.) auf Christum bezieht. Augustin zudem sagt (de agone christ. 11.): „Der Sohn Gottes hat den Menschen angenommen und in ihm Menschliches gelitten.“ II. „Mensch“ will heißen: menschliche Natur, die Christus angenommen hat. III. Der Sohn Gottes ist Mensch. Also ist Er der Mensch, den Er angenommen hat; sonst wäre Er in gleicher Weise Petrus oder jeder beliebige Mensch. Auf der anderen Seite steht die Autorität des Papstes Felix (in concil. Ephes.; et in concil. Chalc. part. 2. act. 1.): „Wir glauben an unseren Herrn Jesum Christum, der geboren ist von Maria der Jungfrau; daß Er Gottes ewiger Sohn und sein ewiges Wort ist und nicht ein Mensch, der von Gott angenommen worden wäre, daß also dieser, der Mensch, ein anderer sei wie Er. Denn nicht einen Menschen nahm der Sohn Gottes an, daß dieser ein anderer sei außer Ihm.“
b) Ich antworte, das, was angenommen wird, sei nicht der Abschluß des Annehmens, sondern werde dem Annehmen vorausgesetzt. Das Einzelsein aber, in welchem die menschliche Natur angenommen wird, ist kein anderes wie die göttliche Person, der Abschluß des Annehmens. Dies nun, einen solchen Abschluß, bezeichnet der Ausdruck „Mensch“, insoweit die menschliche Natur dazu da ist, in einem Fürsichbestehenden zu sein. Wie nämlich, nach Damascenus (3. de orth. fide 4. et 11.), dieser Name „Gott“ bezeichnet den die göttliche Natur habenden, so bezeichnet dieser Ausdruck „Mensch“ einen, der die menschliche Natur hat. Sagen also: Der Sohn Gottes hat den Menschen angenommen, heißt nicht die Worte im eigentlichen, ihnen zukommenden Sinne brauchen, da in Christo nur eine Person ist und ein Fürsichbestehen. Wer aber irrtümlicherweise zwei Personen in Christo annimmt oder zwei supposita, der drückt sich im eigentlichen Sinne aus, wenn er sagt, Christus habe den Menschen angenommen.
c) I. Dergleichen Redeweisen muß man nicht ausdehnen, sondern möglichst nach der Wahrheit auslegen, wenn sie von den heiligen Lehrern gebraucht werden. Wenn also gesagt wird, Christus habe den Menschen angenommen, so will dies heißen, Christus habe die menschliche Natur angenommen und dieses Annehmen sei abgeschlossen in Gottes Sohn, so daß dieser nun Mensch sei. II. Der Name „Mensch“ bezeichnet die menschliche Natur im Fürsichbestehenden, in concreto; und deshalb können wir ebensowenig sagen, Christus habe die Person des Menschen angenommen wie daß Er den Menschen angenommen habe. III. Der Sohn Gottes ist nicht der Mensch, den Er angenommen, sondern dessen Natur Er angenommen.
