Erster Artikel. Das Verhältnis des Fleisches zur Seele rücksichtlich des „Annehmens“.
a) Es scheint, daß der Sohn Gottes nicht vermittelst der Seele das Fleisch angenommen hat. Denn: I. Vollkommener ist die Art und Weise, in welcher der Sohn mit der menschlichen Natur und deren Teilen vereinigt wird, wie jene Art und Weise, kraft deren Er in allen Kreaturen ist. In allen Kreaturen aber ist Er unmittelbar kraft des Wesens, der Macht und der Gegenwart. Also ist um so mehr mit dem Fleische der Sohn Gottes unmittelbar vereinigt und nicht vermittelst der Seele. II. Leib und Seele sind mit dem Worte Gottes vereinigt in der Einheit der Person oder des Fürsichbestehens. Der Leib aber gehört unmittelbar zur Person des Menschen wie auch die Seele. Vielmehr scheint der Körper als bestimmbarer Stoff näher zu stehen der Person wie die Seele, welche bestimmende Wesensform ist; denn als das Princip des Einzelseins, welches im Ausdrucke „Person“ gegeben ist, erscheint eben der Stoff. Also ist da von einer Vermittlung durch die Seele keine Rede. III. Wird das Vermittelnde fortgenommen, so sind die Teile getrennt, die früher verbunden waren; wie wenn vom Körper die Oberfläche entfernt wird, zugleich die Farbe schwindet, welche vermittelst der Oberfläche dem Körper innewohnte. Ist aber die Seele vom Leibe getrennt, so bleibt der Leib Christi vereinigt mit dem „Worte“ (später Kap. 50, Art. 2 u. 3. zu beweisen). Also nicht vermittelst der Seele ist der Leib vereinigt mit der Person des „Wortes“. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (ep. 136. ad Volusian.): „Die Größe eben der göttlichen Kraft hat mit Sich die vernünftige Seele und vermittelst derselben den menschlichen Leib und den ganzen Menschen verbunden, damit sie ihn zu einem besseren mache.“
b) Ich antworte, Vermittlung habe Beziehung zu einem Anfänge und zu einem Ende. Wie also Anfang und Ende eine gewisse Ordnung in sich einschließen, so thut dies auch das Vermittelnde. Nun giebt es eine doppelte Ordnung: 1. der Zeit nach; 2. der Natur oder dem Zwecke nach. Der Zeit nach wird nicht von einer Ordnung im „Annehmen“ der menschlichen Natur und ihrer Teile von seiten Gottes gesprochen; weil das Wort die ganze menschliche Natur durchaus zugleich mit Sich vereinigt hat (Kap. 32. unten). Der Natur oder dem Zwecke nach aber kann von einer Ordnung in doppelter Weise die Rede sein:
a) gemäß dem Grade der Würde, wie z. B. die Engel in der Mitte stehen zwischen Gott und den Menschen;
b) gemäß dem Charakter des Verursachens, wie in der Mitte stehenUrsachen zwischen der ersten Ursache und der letzten Wirkung. Und diese letzte Ordnung folgt der erstgenannten; denn Dionysius sagt (4. de div. nom.): „Vermittelst der Substanzen, die Ihm näher stehen, wirkt Gott ein auf die Substanzen, die Ihm ferner stehen.“ Wenn wir nun die Stufe oder den Grad der Würde beachten, so steht die Seele in der Mitte zwischen Gott und dem Fleische; und danach kann gesagt werden, der Sohn Gottes habe das Fleisch angenommen vermittelst der Seele. Aber auch mit Rücksicht auf das Verursachen ist die Seele gewissermaßen Ursache dafür, daß der Sohn Gottes das Fleisch mit Sich verbunden hat. Denn das Fleisch wäre von sich aus nicht geeignet, angenommen zu werden außer mit Rücksicht auf die Beziehung, die es zur vernünftigen Seele hat, wonach es also menschliches Fleisch ist.
c) I. Eine doppelte geregelte Beziehung kann beobachtet werden zwischen Gott und den Kreaturen. Gemäß der einen werden die Kreaturen von Gott verursacht und hängen von Ihm ab wie vom Princip ihres Seins. Und danach reicht Gott auf Grund der Unendlichkeit seiner Kraft unmittelbar an jedes Ding, indem Er es verursacht und erhält; dahin gehört, daß Gott unmittelbar in den Dingen gegenwärtig ist durch sein Wesen, seine Macht und seine Gegenwart. Nach der anderen werden die Dinge zu Gott als zu ihrem Endzwecke zurückgeführt; mit Bezug darauf findet sich Vermittlung zwischen Gott und den Kreaturen, weil die niederen Kreaturen zu Gott zurückgeführt werden vermittelst der höheren (Dionysius, 5. coel. hier.). Zu dieser letzten geregelten Beziehung gehört das Annehmen der menschlichen Natur von seiten Gottes, welcher den Abschluß dieses Annehmens als zweite Person bildet; und danach wird das Fleisch mit Gott vereinigt vermittelst der Seele. II. Würde die Person des Wortes Gottes hergestellt durch die menschliche Natur, so wäre die Folge, daß der Körper ihr näher stände, da der Stoff das Princip des Einzelseins ist; wie auch die Seele als bestimmende Form des Gattungswesens näher steht der menschlichen Natur. Weil aber die Person des göttlichen Wortes höher steht und früher ist wie die menschliche Natur, so ist in der menschlichen Natur ihr das um so näher, was höher steht. Und deshalb ist ihr die Seele näher wie der Leib. III. Nichts steht dem entgegen, daß etwas die Ursache ist im Anderen von dessen Geeignetsein und Zukömmlichkeit, und daß, trotzdem das Erstere später entfernt wird, dieses Geeignetsein und diese Zukömmlichkeit bestehen bleibt. Denn es hängt wohl das Werden dieses Letzteren von einer solchen Ursache ab; nachdem aber es einmal thatsächlich besteht, hängt es nicht mehr von dieser Ursache ab. So kann etwas zwischen mehreren Freundschaft verursachen; trotzdem aber bleibt die Freundschaft, wenn auch diese Ursache nicht mehr besteht. Und so kann ein Mädchen geheiratet werden wegen der Schönheit, welche im Weibe das Geeignetsein für das eheliche Band verursacht. Ist aber die Schönheit vergangen, so bleibt das eheliche Band. Ebenso bleibt, auch wenn die Seele getrennt ist, die Einigung zwischen dem „Worte“ und dem Körper.
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