Sechster Artikel. Die Geburt Christi ward in gebührender Ordnung offenbar gemacht.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Denen, die Christo näherstanden, mußte zuerst die entsprechende Mitteilung werden, nach Sap. 6.: „Sie (die Weisheit) kommt denen zuvor, welche nach ihr verlangen, damit sie ihnen sich zuerst zeige.“ Am nächsten aber standen Christo die gerechten durch den Glauben und durch das Verlangen nach seiner Ankunft, wie es Luk. 2. heißt: „Simeon war ein gerechter und gottesfürchtiger Mann und ersehnte die Erlösung Israels.“ Also mußte die erste Offenbarung dem Simeon werden. II. Nach Augustin waren die Magier die Erstlinge der Heiden. Zuerst aber tritt die Fülle der Heidenvölker ein zum Glauben und dann wird Israel gerettet werden, nach Röm. 11. Also mußte Christus zuerst den Heiden offenbar werden. III. Nach Matth. 2. „tötete Herodes alle Knaben in Bethlehem vom Alter von zwei Jahren an und darunter, gemäß der Zeit, die er von den Magiern erforscht hatte.“ Danach kamen die Magier zwei Jahre nach Christi Geburt zur Krippe; was jedenfalls eine zu lange Zeit ist. Auf der anderen Seite heißt es Daniel 2.: „Er, Gott, regelt die Zeit und verändert die Zeitalter.“ Also war die Zeit für die Offenbarung der Geburt des Herrn in zukömmlicher Weise geregelt.
b) Ich antworte; die Geburt Christi ward zuerst, am Tage selber der Geburt, den Hirten offenbar gemacht, nach Luk. 2, 6. Sodann kamen (am dreizehnten Tage nachher) die Magier, am Feste der Epiphanie. Wären sie nämlich ein oder zwei Jahre nachher gekommen, so hätten sie Jesum in Bethlehem nicht mehr gefunden, da geschrieben steht Luk. 2, 39.: „Nachdem sie Alles nach dem Gesetze vollbracht, den Knaben Jesus nämlich im Tempel dargestellt hatten, sind sie nach Galiläa zurückgelehrt in ihre Stadt Nazareth.“ Ferner ist die Geburt Christi den gerechten im Tempel geoffenbart worden am vierzigsten Tage nachher, nach Luk. 2. Durch die Hirten werden ausgedrückt die Apostel und andere gläubige aus den Juden, denen zuerst der Glaube Christi geoffenbart wurde und unter denen „nicht viele mächtig waren und nicht viele angesehen“ (1. Kor. 1.). Sodann kam der Glaube zur Fülle der Heiden. Und endlich kam er zur Fülle der Juden, welche durch die gerechten dargestellt sind; wonach der Herr im Tempel der Juden geoffenbart worden ist.
c) I. „Israel hat das Gesetz befolgt und kam nicht zum Gesetze der Gerechtigkeit,“ sagt Paulus Röm. 9. Die Heiden befolgten das Gesetz nicht und kamen der Fülle der Juden in der Gerechtigkeit des Glaubens zuvor. Und als Figur der Fülle der Juden erkannte Simeon, „der den Trost Israels ersehnte,“ zuletzt den geborenen Heiland; und es kamen ihm zuvor die Magier und Hirten, welche nicht mit solchem Eifer die Geburt des Heilandes erwarteten. II. Die Erstlinge der Juden kamen zuvor der Fülle der Heiden, welcher zuletzt die Fülle der Juden folgen wird; und deshalb ward den Hirten zuerst die Geburt Christi geoffenbart. III. Chrysostomus (hom. 2. in op. imp.) und Augustin (in Epiph. serm. 7.) sagen hier, der Stern sei zwei Jahre vor Christi Geburt den Magiern erschienen; diese hätten dann nachgedacht und die Vorbereitungen zur Reise gemacht, so daß sie von den entferntesten Gegenden des Orients her am dreizehnten Tage nach der Geburt angekommen wären. Deshalb hätte Herodes, der sich getäuscht sah in seinen Erwartungen, die Kinder im Alter von zwei Jahren und darunter töten lassen; denn er wußte nicht, ob nicht etwa der Knabe bereits damals geboren ward, als der Stern den Magiern erschien, wie er von diesen gehört hatte. Andere sagen, der Stern sei wohl erschienen zur Zeit der Geburt und die Magier hätten sogleich die Reise angetreten, waren aber teils durch den Beistand der göttlichen Kraft teils durch die Schnelligkeit der Dromedare binnen dreizehn Tagen bis zur Krippe gekommen; wenn sie nämlich von den äußersten Teilen des Orients kamen. Einige aber wollen, daß sie nicht von so weit kamen, sondern aus der Gegend Balaams. Herodes hätte danach nicht sogleich die Kinder töten lassen, sondern erst nach zwei Jahren; sei es daß er in dieser Zeit als angeklagter nach Rom ging oder in unbestimmter Furcht vor anderen Gefahren von dieser Tötung abließ oder endlich weil er, wie Augustin sagt (2. de cons. Evang. 11.), „glauben konnte, die Magier hätten vom Scheine des Sternes getäuscht den Knaben nicht gefunden, den sie geboren meinten und hätten sich geschämt, zu ihm zurückzukehren.“ Er tötete aber, wie Augustin meint (serm. Innocentium) die Kinder auch unter zwei Jahren, „weil er fürchtete, der Knabe, dem die Sterne dienten, könnte die eigene Gestalt in etwa, sei es älter sei es jünger dem Aussehen nach, machen.“
