Dritter Artikel. In eigener Kraft fuhr Christus gen Himmel.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Mark. ult. wird die passive Form gebraucht: „Der Herr Jesus ist in den Himmel aufgenommen worden;“ und ebenso Act. 1.: „Als sie hinblickten, ward Er erhoben und eine Wolke nahm Ihn auf.“ Danach also wurde Er von einem anderen zum Himmel hinbewegt. II. Christi Leib war von Natur ein irdischer. Diesem ist es nun nicht gegeben, gemäß seiner Natur nach oben hin sich zu bewegen. Was aber gegen die Natur des Körpers geschieht, das geschieht durch fremde Kraft. III. Die eigene Kraft Christi ist die göttliche. Jene Bewegung aber scheint nicht von der göttlichen Kraft hergekommen zu sein; sonst wäre dieselbe im Augenblicke gewesen und so hätten die Jünger nicht gesehen, wie sich der Leib Christi zum Himmel hinbewegte. Also ist Er nicht aus eigener Kraft gen Himmel gefahren. Auf der anderen Seite heißt es Isai. 63.: „Dieser da voll Schönheit in seinem Gewande, dahinschreitend in der Größe seiner Kraft;“ wozu Gregor der Große (29. in Evgl.) bemerkt: „Es ist zu bemerken, wie gelesen wird, daß Elias in einem Wagen gen Himmel aufgestiegen sei, damit nämlich offenbar gezeigt werde, daß der bloße Mensch dazu fremder Hilfe bedarf. Unser Erlöser aber ward weder durch einen Wagen erhoben noch durch Engel; denn der da Alles gemacht hatte, stieg aus eigener Kraft über Alles empor.“
b) Ich antworte; sowohl gemäß der göttlichen wie gemäß der menschlichen Natur in Christo könne eine „eigene Kraft“ angenommen werden. Betreffs der menschlichen Natur nun besteht eine natürliche Kraft, welche aus den Principien der Natur hervorgeht; und gemäß dieser ist Christus nicht in den Himmel aufgestiegen. Eine andere Kraft aber gemäß der menschlichen Natur ist die Kraft der Herrlichkeit; und nach dieser stieg Christus in den Himmel. Diese Kraft nun erklären manche aus der Natur (der fünften elementaren Wesenheit) des Lichts, welches eintritt in die Zusammensetzung des menschlichen Körpers. Und zwar geschieht dies auf dieser Erde, im Zustande der Sterblichkeit so, daß die Natur der (niederen) Elemente vorwiegt und sonach gemäß der natürlichen Kraft der menschliche Körper nach der Tiefe von selbst getragen wird; im Stande der Herrlichkeit aber wird das höhere, von oben stammende Element vorwiegen, kraft dessen Hinneigung die Körper der heiligen von Natur aus nach oben hin in Bewegung sein werden; — worüber bereits I. Kap. 76, Art. 7. und eingehender unten. Abgesehen aber von dieser Ansicht nehmen andere an, der Sitz der besagten Kraft sei in der Seele als einer verherrlichten; aus ihr nämlich fließt über die Herrlichkeit auf den Körper, so daß dieser auf jeden Wink der Seele gehorcht; wie Augustin sagt (22. de civ. Dei ult.): „Wo der Geist will, da wird alsbald der Leib sein; und der Geist wird nichts wollenaußer was dem Geiste geziemt und dem Körper.“ Nun geziemt es sich, daß der unsterbliche und glorreiche Leib am Orte der Unvergänglichkeit und Herrlichkeit sei. Wie also der Leib ein verherrlichter wird kraft seiner Teilnahme an der Glorie der Seele, so wird die Seele verherrlicht durch die Teilnahme an Gott. Der erste Ursprung sonach der Kraft, vermöge deren der Leib Christi aufgefahren ist zum Himmel, ist die göttliche; sodann aber stieg er auch auf durch die Kraft der Seele, welche den verherrlichten Leib hinbewegt, wohin sie will.
c) I. Christus ist durch eigene Kraft auferstanden und trotzdem ward Er auferweckt vom Vater; denn eine und dieselbe Kraft ist die des Vaters und des Sohnes. Und so stieg Er durch eigene Kraft auf zum Himmel und doch ward Er vom Vater erhoben und aufgenommen. II. Dies beweist bloß, daß Christus nicht aufgefahren ist durch die eigene natürliche Kraft des Körpers. Aufsteigen aber ist gegen die Natur des menschlichen Körpers gemäß dessen jetziger vergänglicher Beschaffenheit; es ist nicht gegen die Natur des verherrlichten Körpers, der durchaus dem Geiste unterworfen ist. III. Die göttliche Kraft wird aufgenommen gemäß der Beschaffenheit und Fähigkeit des sie aufnehmenden Wesens. Nun ist es dem Körper nicht seiner Beschaffenheit nach eigen, im Augenblicke sich zu bewegen, weil seine Teile dem Raume sich anpassen müssen. Also muß der menschliche Körper nicht von seiten Gottes im Augenblicke bewegt werden, sondern gemäß der Schnelligkeit, die Gott vorsieht.
