Erster Artikel. Die Sakramente verursachen Gnade.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Nicht dasselbe scheint zu sein: Zeichen und Ursache; denn „Zeichen“ drückt mehr die Wirkung aus. Die Sakramente aber sind Zeichen der Gnade; also nicht deren Ursache. II. Nichts Körperliches kann einwirken auf etwas Geistiges; denn „das Einwirkende steht höher wie das Leidende“ (Aug. 12. sup. Gen. ad litt. 16.). Der Sitz der Gnade aber ist der vernünftige Geist des Menschen. Also wirken die Sakramente als etwas Körperliches nicht die Gnade im Geiste. III. Gnade verursachen ist ganz und gar Gott eigen, nach Ps. 83.: „Gnade und Herrlichkeit wird der Herr geben.“ Also verursachen nicht die Sakramente, die in geschaffenen Dingen bestehen, die Gnade. Auf der anderen Seite sagt Augustin (tract. 80. in Joan.): „Das Wasser in der Taufe berührt den Körper und wäscht rein die Seele.“
b) Ich antworte, jedenfalls müssen die Sakramente des Neuen Bundes irgendwie Gnade verursachen. Denn vermittelst ihrer wird der Mensch ein Glied am Leibe Christi, nach Gal. 3.: „Die ihr getauft seid, ihr habt Christum angezogen.“ Nur aber durch die Gnade wird der Mensch ein Glied Christi. Manche sagen deshalb, die Sakramente seien nicht Ursache der Gnade dadurch daß sie etwas wirken, sondern weil Gott bei Spendung der Sakramente die Gnade wirkt. So z. B. erhielte jener, der infolge der Anordnung des Königs einen Zehner von Blei brächte, hundert Pfund; nicht weil dieser Zehner dies irgendwie wirkte, sondern der Wille des Königs allein macht, daß eine solche Summe Geld gegeben wird. Darum sagt Bernardus (1. de coena domini): „Wie ein Kanonikus investiert wird mit dem Buche, einAbt mit dem Stabe, ein Bischof mit dem Ringe, so sind verschiedene Gnaden zugeteilt den verschiedenen Sakramenten.“ Wer aber genau erwägt, der sieht, daß diese Art und Weise nicht überragt den Charakter eines bloßen Zeichens. Denn jener Zehner ist nur ein Zeichen des königlichen Willens, daß dem vorzeigenden eine bestimmte Summe Geld gegeben werde; und ebenso verhält es sich mit dem Buche, dem Stabe etc. Danach wären also die Sakramente nichts als reine Zeichen, da doch aus vielen Autoritäten von heiligen hervorgeht, daß die Sakramente des Neuen Bundes nicht bloß bezeichnen, sondern verursachen die Gnade. Deshalb muß man anders sagen. Denn eine doppelte wirkende Ursache giebt es: 1. Eine hauptsächlich und an erster Stelle einwirkende und 2. eine, die in der Weise eines Werkzeuges wirkt. Die erstere wirkt kraft ihres Wesens und ihr wird die Wirkung ähnlich, wie das Feuer kraft seiner Wärme warm macht. Und danach kann nur Gott die Gnade verursachen, da diese nichts Anderes ist wie eine Teilnahme und Ähnlichkeit mit dem göttlichen Wesen, nach 2. Petr. 1.: „Großes und Kostbares ist uns verheißen worden, daß wir teilhaben an der göttlichen Natur.“ Die in der Weise eines Werkzeuges wirkende Ursache aber wirkt nicht kraft ihres eigenen Wesens, sondern insoweit sie in Bewegung gesetzt ist von seiten der haupteinwirkenden Ursache. Die Wirkung wird da nicht dem Werkzeuge ähnlich, sondern der an erster Stelle und hauptsächlich einwirkenden Ursache; wie das Bett nicht ähnlich wird dem Beil, sondern der Exemplaridee im Geiste des Meisters. Und so, wie von Gott angewandte Werkzeuge, wirken die Sakramente des Neuen Bundes Gnade in uns: „Sie werden gespendet und gehen vorüber,“ so Augustin (14. cont. Faustum 16.); „die Kraft aber (Gottes), die durch sie gewirkt, bleibt in der Seele.“ Wodurch nun jemand wirkt, das wird recht eigentlich Werkzeug genannt, wonach Tit. 3. es heißt: „Er hat uns heil gemacht durch das Bad der Wiedergeburt.“
c) I. Die haupteinwirkende Ursache kann allerdings nicht eigentlich bezeichnet werden als Zeichen der Wirkung, wenn auch diese Wirkung verborgen ist und sie selbst, die Ursache, offen und sinnlich wahrnehmbar. Die Ursache in der Weise eines Werkzeuges aber kann, wenn sie selber offenbar ist, genannt werden das Zeichen einer verborgenen Wirkung; denn sie ist nicht für sich allein Ursache, sondern selber wieder gewissermaßen Wirkung, insoweit sie bewegt und in Thätigkeit gesetzt wird von der Hauptursache. Und danach sind die Sakramente des Neuen Bundes zugleich Zeichen und Ursachen; und so wird gesagt: „Sie wirken das, was sie bezeichnen.“ Deshalb sind sie auch im wahrhaftigsten Sinne „Sakramente“; denn sie haben wirksame Beziehung zu etwas „Heiligem“ (sacrum) und nicht bloß bezeichnen sie es. II. Das Werkzeug hat zwei Arten Thätigkeit: Die eine, insoweit es in Thätigkeit gesetzt ist vom Haupteinwirkenden; die andere, insoweit es eigene Form und Natur hat. So kommt dem Beile es zu gemäß der eigenen Natur, zu spalten; gemäß der vom Meister eingedrückten Bewegung aber, ein Bett herzustellen; und zwar wird diese letztere Thätigkeit nur ausgeführt vermittelst der ersteren. Und ähnlich führen die Sakramente vermittelst der ihnen eigenen Thätigkeit, welche sie aus den Körper anwenden, den sie berühren, die Thätigkeit aus als ein Werkzeug in der Hand der göttlichen Kraft, so daß sie auf die Seele einwirken; wie das Taufwasser nach der ihm von Natur eigenen Thätigkeit den Körper abwäscht, nach der Thätigkeit aber als Werkzeug kraft der Macht Gottes die Seele rein macht;denn aus Seele und Leib wird eine Einheit. Und dies sagt Augustin mit den Worten: „Es berührt den Leib und wäscht rein die Seele.“ IV. Dieser Einwurf berücksichtigt Gott als den Haupteinwirkenden; und soweit hat er recht.
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