Erster Artikel. Es giebt Sakramente, die der Seele einen Charakter einprägen.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. „Charakter“ will besagen ein Unterscheidungszeichen. Die Unterscheidung der Glieder Christi von den anderen aber geschieht durch die ewige Vorherbestimmung, die nichts Positives im Vorherbestimmten selber verursacht (I. Kap. 23, Art. 2.). Denn 1. Tim. 2. heißt es: „Fest steht das Fundament Gottes; dieses Merkmal hat es: Gott kennt die, welche Ihm gehören.“ Also prägen die Sakramente keinen Charakter ein. II. „Charakter“ will besagen ein Unterscheidungszeichen. „Ein Zeichen aber führt außerdem daß es seine eigene Gestalt den Sinnen vorlegt auch zur Kenntnis von Anderem,“ wie Augustin sagt (II. de dooctr. christ.). Da nun nichts Derartiges im Innern der Seele sich findet, was irgend welche Gestalt den Sinnen vorführte, so scheint es nicht, daß von Sakramenten ein Charakter in der Seele ausgehe. III. Wie durch die Sakramente des Neuen Bundes so wurden auch durch die des Alten die gläubigen von den ungläubigen unterschieden. Die Sakramente des Alten Bundes aber prägten keinen Charakter in der Seele ein, wonach sie auch von Paulus als „Gerechtigkeit des Fleisches“ bezeichnet werden (Hebr. 9.). Also thun dies auch nicht die des Neuen Bundes. Auf der anderen Seite heißt es 2. Kor. 1.: „Gott ist es, der uns gesalbt hat und der uns gekennzeichnet hat und der unseren Herzen das Pfand des heiligen Geistes gab.“ Der Charakter aber ist nichts Anderes wie eine gewisse Kennzeichnung. Also prägt durch einzelne Sakramente Gott uns einen Charakter ein.
b) Ich antworte, die Sakramente des Neuen Bundes haben den Zweck, ein Heilmittel gegen die Sünden zu sein und die Seele zu vollenden in dem, was nach dem Gebrauche des christlichen Lebens zum Kulte oder zur Verehrung Gottes gehört. Wer aber auch immer zu etwas Bestimmtem abgesondert wird, der pflegt dazu gekennzeichnet zu werden; wie z. B. die Soldaten, die vor Alters zum Kriegsdienste bestimmt wurden, durch einige körperliche Kennzeichen unterschieden worden sind, weil man sie zu etwas Körperlichem absonderte. Da nun durch die Sakramente die Menschen zu etwas Geistigem abgesondert wurden, nämlich zum Kulte Gottes; so folgt, daß durch dieselben die gläubigen mit einem geistigen Kennzeichen versehen werden. Deshalb schreibt Augustin (2. cont. Parmenianum c. 13.): „Wenn jemand vor dem militärischen Kennzeichen an seinem Körper furchtsam zurückschrickt und nicht in den Krieg mitzieht; später aber reuig zur Milde des Kaisers seine Zuflucht nimmt, um Gnade fleht und sie erlangt und nun wiederbeginnt, zu kämpfen; — wird denn da das militärische Kennzeichen, das dieser Mann trug, von neuem ihm, nachdem er befreit und gebessert ist, aufgeprägt und nicht vielmehr anerkannt als schon bestehend? Oder sollen etwa die christlichen Sakramente minder haften an der Seele wie ein solches körperliches Kennzeichen?“
c) I. Für die ewige Herrlichkeit werden die gläubigen abgesondert durch das Merkmal der ewigen Vorherbestimmung. Für gewisses Thätigsein aber, was der gegenwärtigen Kirche entspricht, werden sie gekennzeichnet durch ein geistiges Merkmal, das man „Charakter“ nennt. II. Ein Zeichen ist der Charakter des Sakramentes, weil er durch etwas sinnlich Wahrnehmbares eingeprägt worden, wie durch das Wasser in der Taufe. Jedoch kann man auch Charakter oder Kennzeichen nach einer gewissen Ähnlichkeit nennen das, was irgendwie unterscheidet, obgleich es nicht sinnlich wahrnehmbar ist, wie z. B. in Hebr. 1, 3. III. Die Sakramente des Alten Bundes hatten in sich keine wirksame Kraft, um etwas Geistiges hervorzubringen; deshalb ward bei ihnen kein in die Seele eingeprägter geistiger Charakter erfordert, sondern es genügte die körperliche Beschneidung, welche Paulus als Kennzeichen oder Merkmal bezeichnet.
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