Zweiter Artikel. Die Zeit für die Feier der Messe.
a) Dieselbe ist unzukömmlicherweise bestimmt. Denn: I. Einmal im Jahre nur feiert die Kirche das Andenken an das Leiden des Herrn, woran die Feier dieses Sakramentes erinnern soll. Deshalb sagt Augustin (sup. ps. 21.): „So oft Ostern gefeiert wird, wird ebenso oft Christus geopfert? Nein; aber einmal im Jahre begehen wir feierlich die Erinnerung an das, was damals geschehen ist; wir sehen dann gleichsam Christum vor unseren Augen am Kreuze hangen.“ Also nur einmal im Jahre dürfte das heilige Messopfer gefeiert werden. II. Das Leiden Christi wird besonders in unsere Erinnerung gebracht am Karfreitage. Also scheint es unzulässig, daß die Feier dieses Sakramentes am Karfreitage ganz unterlassen und am Weihnachtstage dreimal begangen wird. III. In der Feier dieses Sakramentes sollte die Kirche Christum nachahmen, der es zur Abendstunde eingesetzt hat. IV. Leo der Große schreibt an Dioscorus Alexander (ep. 81.): „Im ersten Teile des Tages soll man die Messe feiern.“ Also müßte es gestattet sein, gleich nach Mitternacht, wo ja der natürliche Tag anfängt, zu celebrieren. V. In einer Sekrete heißt es: „Verleih', o Herr, wir bitten Dich, diese Geheimnisse oft zu feiern.“ Diesem Gebete würde aber mehr stattgegeben, wenn mehrmals am Tage der Priester Messe läse. Auf der anderen Seite steht der Brauch der Kirche, wie die canones ihn bekräftigt haben.
b) Ich antworte, in der Feier dieses Sakramentes sei zu berücksichtigen 1. die Darstellung des Leidens Christi; 2. die Teilnahme an der Frucht desselben. Und nach beiden Seiten hin mußte man in geeigneter Weise die Zeit für diese Feier bestimmen. Weil wir nämlich der Frucht des göttlichen Leidens täglich bedürfen wegen unserer täglichen Fehler, deshalb wird in der Regel täglich dieses Opfer dargebracht. Deshalb lehrt der Herr uns, um das tägliche Brot beten; und Augustin (de verb. dom. 28.) sagt: „Wenn dieses Brot ein tägliches ist, warum also nimmst du es bloß einmal im Jahre, wie die Griechen im Oriente zu thun gewohnt sind? Nimm es täglich, damit täglich es dir nütze.“ Weil aber das Leiden des Herrn sich vollzog von der dritten Stunde an bis zur neunten (von 9 Uhr bis 3 Uhr), deshalb wird in der Regel zur selben Zeit in feierlicher Weise das Opfer dargebracht.
c) I. In diesem Sakramente wird das Leiden Christi vorgestellt, soweit dessen Wirkung zu den gläubigen hin sich ableitet. In der Leidenswoche aber wird das Andenken an das Leiden Christi feierlich begangen, soweit dasselbe im Haupte, in Christo, vollendet worden ist. Also das letztereAndenken wird nur einmal im Jahre begangen, weil nur einmal Christus gestorben ist. Messe aber wird täglich gelesen, weil wir täglich der Frucht des Leidens bedürfen. II. Vor dem Antlitze der Wahrheit zieht sich zurück die Figur. Weil also dieses Sakrament wie eine Figur und ein Zeichen des Leidens Christi ist; deshalb wird an jenem Tage, wo die Erinnerung an das Leiden des Herrn, wie es in Wahrheit thatsächlich sich vollzogen hat, feierlich uns vorgestellt wird, die heilige Messe nicht gefeiert. Damit aber die Kirche, auch an diesem Tage, nicht sei ohne die Frucht des Leidens, wie sie in diesem Sakramente dargeboten wird, bewahrt man eine am Tage zuvor konsekrierte Hostie auf und diese wird da genommen; das Blut wird nicht aufbewahrt teils wegen der Gefahr, die damit verbunden ist, teils weil das Blut ein ausdrücklicheres Bild des Leidens vorstellt. Man darf nicht sagen wie einige, daß dadurch, weil ein Teilchen der Hostie in den Wein gethan wird, dieser letztere nun konsekriert ist; denn das Konsekrieren geschieht einzig durch die Worte der Konsekration. Am Weihnachtstage werden drei Messen vom einzelnen Priester gelesen, wegen der dreifachen Geburt Christi. Denn die erste ist die ewige Geburt, welche mit Bezug auf uns verborgen ist; und deshalb wird die erste Messe um Mitternacht gelesen und sie beginnt mit den Worten: „Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeugt“ (Ps. 2.). Die zweite Geburt ist die geistige, in unseren Herzen; wenn darin „Christus wie der Lichtbringer aufgeht“ (2. Petr. 1.); deshalb wird die zweite Messe beim Grauen der Morgenröte gesungen und sie beginnt: „Ein Licht wird aufgehen heute über uns.“ Die dritte Geburt Christi ist die zeitliche und körperliche aus Maria der Jungfrau, in welcher Christus sichtbar auf Erden erschien; deshalb wird diese Messe am hellen Tage gesungen und sie beginnt: „Ein Knabe ist uns geboren.“ Man kann jedoch auch sagen, die dritte Messe zeige auf die ewige Geburt, denn diese geschah im hellen Glanze der Gottheit; und die erste Messe zeige auf die zeitliche Geburt, die in der Nacht stattfand, um die Nacht der menschlichen Schwäche zu heben, wonach in der ersten Messe das Evangelium von der zeitlichen Geburt Jesu gelesen wird. III. Christus wollte dieses Sakrament fester einprägen in die Herzen der Jünger; deshalb setzte Er es am letzten Ende seines Verkehrs mit ihnen unmittelbar vor seinem Leiden ein. Von uns aber wird es gefeiert zur Zeit des Leidens Christi; nämlich an Festtagen zur dritten Stunde (um 9 Uhr), als Christus gekreuzigt ward durch die Zungen der Juden (Mark. 15.) und der heilige Geist herabstieg auf die Jünger. In den Vigilien wird die Feier der Messe begangen um die sechste Stunde (12 Uhr), als Christus durch die Hände der Soldaten gekreuzigt wurde; und an Fasttagen um die neunte Stunde (3 Uhr), als Er rufend mit lauter Stimme den Geist aufgab. Jedoch können die Messen auch, wenn ein Bedürfnis vorliegt, im ersten Teile des Tages gefeiert werden. Oder sie werden auch der Zeit nach hinausgeschoben, wenn die Umstände, wie lange Ceremonien, die vorhergehen, es erfordern; vgl. decret. dist. 75., c. Quod a patribns. IV. Der Regel nach soll die Messe gefeiert werden am Tage, nicht in der Nacht. Denn Christus ist da gegenwärtig, der von Sich gesagt hat: „Ich muß die Werke wirken, derentwegen der Vater mich gesandt hat, so lange es Tag ist; denn es kommt die Nacht, wo niemand wirken kann; so lange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt“ (Joh. 9.). Der Beginn des Tages wird da genommen vom Beginne der Morgenröte; wie Mark. 16. heißt, daß „die Frauen kamen zum Grabe, nachdem die Sonne schon aufgegangen war“ und Joh. 20.: „als noch Finsternis war“. Das Aufgehen der Sonne wird da nämlich genommen von der Zeit an, daß die ersten Strahlen der Sonne zu leuchten beginnen, während es noch ziemlich finster ist; also vom Beginne der Morgenröte an (Aug. 3. de cons. Evgl. 24.). Am Weihnachtsfeste nur wird die Messe in der Nacht gefeiert, weil in der Nacht der Herr geboren worden ist. Und am Karsamstage geschieht dasselbe bei Beginn der Nacht, weil der Herr in der Nacht auferstand d. h. vor dem hellen Leuchten der Sonne. V. „Es genügt, daß der Priester an dem nämlichen Tage auch nur eine Messe feiere, weil Christus ein einziges Mal gelitten und damit die ganze Welt erlöst hat. Und sehr glücklich ist, wer täglich die heilige Messe würdig feiern kann. Manche lesen eine für die armen Seelen und eine andere vom Tage; wenn dies notwendig ist. Wer aber aus Geiz oder um den Weltleuten zu schmeicheln am nämlichen Tage mehrere Messen liest, der kann nach meiner Überzeugung die Verdammnis nicht vermeiden;“ so sagt Papst Alexander II. (de cons. dist. 1., c. 53. decret. 11.). Und ebenso Innocenz III.: „Ausgenommen Weihnachten soll, wenn kein dringendes Bedürfnis vorliegt, kein Priester am nämlichen Tage mehrere Messen lesen“ (extra de celebr. cap. Consuluisti).
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