Erster Artikel. Durch die Buße werden alle Sünden entfernt.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Hebr. 12. heißt es: „Esau fand keine Stätte für seine Buße und wenn er unter Thränen eine solche gesucht hätte;“ d. h. „er fand nicht die Stätte der Verzeihung und des Segens durch die Reue.“ Und 2. Makk. 9. heißt es: „Der Verbrecher (Antiochus) flehte zu Gott, bei dem er keine Barmherzigkeit finden sollte.“ II. Augustin erklärt (de serm. dom. in m. c. 22.): „Diese Sünde, nach gekannter und anerkannter Wahrheit zu widerstreben der Gnade Christi und die Gnade in den Brüdern selber zu beneiden, ist mit einem solchen Flecken behaftet, daß der betreffende nicht finden kann die Demut im Gebete,wenn er auch mit schlechtem Gewissen seine eigene Sünde anzuerkennen gezwungen ist.“ Nicht also jede Sünde wird getilgt durch die Buße. III. Matth. 12. sagt der Herr: „Wer ein Wort sagt gegen den heiligen Geist, dem wird die Sünde nicht vergeben werden weder in dieser Zeit noch in der Zukunft.“ Auf der anderen Seite heißt es Ezech. 18.: „Und aller seiner Missethaten, die er gethan, will ich nicht mehr gedenken.“
b) Ich antworte, daß eine Sünde durch Reue nicht getilgt werde, könne 1. deshalb geschehen, weil der Sünder seine Sünde nicht bereuen könnte; — 2. weil alle gehabte Reue die Sünde nicht tilgen kann. In der ersten Weise können durch die Reue nicht getilgt werden die Sünden der Teufel und der verdammten, weil ihr Wille hartnäckig ist im Bösen, so daß ihnen die Schuld der Sünde nicht mehr mißfallen kann, sondem nur die Strafe; auf Grund deren sie eine gewisse, aber fruchtlose Reue haben, nach Sap. 5.: „Sie thun Buße und wehklagen in ihrem beängstigten Geiste.“ Solche Buße ist nicht begleitet von der Hoffnung auf Nachlaß, sondern von Verzweiflung. So beschaffen soll aber keine Sünde eines Erdenpilgers sein, da dessen freier Wille zum Guten wie zum Bösen verwendbar bleibt. Sagen also, irgend eine Sünde in diesem Leben sei nicht durch Reue zu tilgen, ist ein Irrtum; denn damit wird fortgenommen die Willensfreiheit und zudem der Kraft der Gnade unrecht gethan, die jedes Herz zur Buße wenden kann; nach Prov. 21.: „Das Herz des Königs ist in der Hand Gottes; wohin Er will, wird Er es wenden.“ Daß in der zweiten Weise durch Reue eine Sünde nicht getilgt werden könne, ist ebenfalls ein Irrtum. Denn dies widerstreitet der göttlichen Barmherzigkeit, über die es heißt Joel 2.: „Gütig und barmherzig ist Gott und geduldig und reich an Barmherzigkeit, die da weit überwiegt alle Bosheit.“ Denn Gott würde gleichsam von Menschen besiegt, wenn der Mensch wollte, eine Sünde möge getilgt werden, und Gott wollte nicht, daß sie getilgt werde. Zudem würde dies unrecht thun der Kraft des Leidens Christi, durch welches die Buße wirkt, nach 1. Joh.: „Er, Christus, ist die Sühne für unsere Sünden und nicht nur für die unsrigen, sondern für die der ganzen Welt.“ Alle Sünde also in diesem Leben kann schlechthin getilgt werden durch die Reue.
c) I. Esau hat nicht wahrhaft bereut; denn Gen. 27. heißt es: „Es werden die Tage der Trauer kommen nach dem Tode des Vaters; und da werde ich Jakob, meinen Bruder, töten.“ Auch Antiochus bereute nicht wahrhaft; nicht nämlich hatte er Schmerz, weil er Gott beleidigt hatte, sondern weil er eine körperliche Krankheit litt. II. Augustin will sagen: „Der Flecken dieser Sünde sei so groß, daß der Sünder nicht demütiges Gebet finden könnte;“ nämlich nicht leicht; wie man jemanden unheilbar nennt, der durch einen gewöhnlichen Arzt nicht geheilt werden kann. Die göttliche Gnade kann auch „die Tiefen des Meeres umkehren“ (Ps. 67.). III. Diese Sünde ist nach Augustin (de verb. dom. serm. 11. c. 12.) die Verstocktheit im Tode; die Sünden können nach diesem Leben nicht mehr nachgelassen werden. Oder wird darunter eine Sünde aus Bosheit verstanden, so heißen diese Worte, sie sei nicht leicht nachlaßbar; weil nämlich solche Sünde in sich keine Art von Entschuldigung hat wie Schwäche, Unkenntnis, oder weil sie hier bestraft wird und nach diesem Leben.
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