Sechster Artikel. Der Nachlaß der Schuld ist die Wirkung der Buße.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Der Nachlaß der Schuld ist eine Wirkung der wirkenden Gnade. II. Andere Tugenden stehen höher wie die Buße, wirken aber nicht solchen Nachlaß der Sündenschuld. III. Der Nachlaß der Schuld folgt aus der Kraft des Leidens Christi, nach Hebr. 9, 22. Diese Kraft aber wirkt nur in den Sakramenten. Also die Buße als Tugend wirkt nicht den Nachlaß der Schuld. IV. Auf der anderen Seite ist Jenes Ursache von etwas Anderem, ohne was dieses nicht sein kann; denn jede Wirkung hängt von ihrer Ursache ab. Nun kann Gott wohl ohne das Sakrament der Buße den Nachlaß der Sünden verleihen, nicht aber ohne die Tugend der Buße (Kap. 84, Art. 5 ad III.), so daß Er den büßenden auch vor den Sakramenten des Neuen Bundes die Sünden nachließ. Also die hauptsächlichste Wirkung der Buße als einer Tugend ist der Nachlaß der Schuld.
b) Ich antworte, die Buße sei eine Tugend, insoweit sie das Princip ist für menschliche Thätigkeiten. Solche Thätigkeiten aber verhalten sich von seiten des Sünders im Sakramente der Buße wie die Materie. Nun bringt jedes Sakrament seine Wirkung hervor nicht allein kraft der Form, sondern auch kraft der Materie; denn aus Beidem besteht das Sakrament. Wie also der Nachlaß der Schuld in der Taufe geschieht nicht allein kraft der Form, sondern auch kraft der Materie, nämlich des Wassers; jedoch hauptsächlicher kraft der Form, durch die das Wasser selber seine Kraft empfängt; — so ist der Nachlaß der Schuld eine Wirkung der Buße: hauptsächlicher aber geschuldet der Schlüsselgewalt in den Spendern und erst an zweiter Stelle den eigenen Akten des Büßers, die da gehören zur Tugend der Buße; freilich müssen diese Bußakte in etwa hingelenkt sein zur Schlüsselgewalt. Also an erster Stelle ist der Nachlaß der Schuld die Wirkung des Sakramentes der Buße, an zweiter Stelle die der Tugend der Buße.
c) I. Die Wirkung der einwirkenden Gnade ist die Rechtfertigung des gottlosen; in welcher nicht nur sich findet das Eingießen der Gnade und der Nachlaß der Schuld, sondern auch die freie Willensbewegung zu Gott hin, also der Akt des durch die Liebe geformten Glaubens, und die freie Willensbewegung gegen die Sünde, also der Akt der Buße. Diese Akte aber sind hier, als von der wirkenden Gnade gewirkt, zugleich hervorgebrachtmit dem Nachlasse der Schuld. Letzterer also geschieht nicht ohne den Akt der Tugend der Buße, obgleich er ist eine Wirkung der einwirkenden II. In der Rechtfertigung des Sünders ist nicht nur der Akt der Buße, sondern auch der des Glaubens. Der Nachlaß der Schuld also wird nicht betrachtet als Wirkung des Bußaktes, sondern auch und zwar hauptsächlicher des Glaubens und Liebeaktes. III. Zum Leiden Christi steht in Beziehung der Bußakt sowohl durch den Glauben als auch durch die Hinordnung zur Schlüsselgewalt der Kirche. Auf beiden Seiten wird also der Nachlaß der Sünden verursacht durch die Kraft des Leidens Christi. IV. Der Bußakt hat es von da her, daß ohne ihn die Schuld nicht nachgelassen wird, weil er eine untrennbare Wirkung der Gnade ist, durch die an erster Stelle die Schuld nachgelassen erscheint; und diese selbe Gnade wirkt auch in den Sakramenten. Daraus also kann nur geschlossen werden, daß die Gnade eine hauptsächlichere Ursache sei für den Nachlaß der Schuld wie das Sakrament der Buße. Im Alten Bunde aber und unter dem Gesetze der Natur war einigermaßen das Sakrament der Buße (Kap. 84, Art. 7 ad II.).
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