Zweiter Artikel. Ohne Buße wird keine Sünde nachgelassen.
a) Das geschieht ganz wohl. Denn: I. Den Kindern werden Sünden nachgelassen ohne Buße; also auch den erwachsenen. Die Kraft Gottes ist doch nicht minder in diesen wie in jenen. II. Die Buße ist ein Sakrament. Gott aber hat seine Kraft nicht an die Sakramente gebunden. III. Der Mensch verzeiht manchmal Beleidigungen, ohne Buße zu fordern, nach Matth. 5.: „Liebet euere Feinde; thuet Gutes denen, die euch hassen. Also verzeiht um so mehr Gott ohne Buße von seiten des Menschen. Auf der anderen Seite heißt es Jerem. 18.: „Wenn jenes Volk Buße gethan haben wird für das Übel, das ich gethan; werde auch ich Buße thun und nicht ihnen senden das Übel, welches ich bereitet habe.“ Also thut umgekehrt der Mensch nicht Buße, so verzeiht Gott nicht.
b) Ich antworte, unmöglich könne eine persönlich begangene, aktuelle Todsünde ohne Reue oder Buße, soweit die Buße Tugend ist, nachgelassen werden. Denn da die Sünde eine Beleidigung Gottes ist, so läßt Gott in derselben Weise die Sünde nach, wie Er die Beleidigung, die man Ihm angethan, nachläßt. Die Beleidigung aber steht schroff gegenüber der Gnade. Denn deshalb ist jemand einem anderen gegenüber der beleidigte, weil er ihn von seiner Gunst, von seiner Gnade abweist. Dies ist aber der Unterschied zwischen der Gnade Gottes und der eines Menschen, daß Gottes Gnade verursacht in wirkender Weise das Gutsein in einem Menschen, da der gute Wille Gottes, der unter dem Ausdrucke „Gnade“ verstanden wird, die Ursache ist jeglichen geschaffenen Gutes. Dagegen hat die Gnade von seiten eines Menschen zur Voraussetzung das entsprechende Gutsein im betreffenden Menschen, dem da Gnade oder Gunst zugewandt wird. Der Mensch also kann eine Beleidigung nachlassen jemandem, ohne daß dessen Wille eine innerliche Änderung erfährt; es kann da ein Gut nur scheinbar sich finden, auf Grund dessen diesem Menschen die Gnade zugewandt wird, ohne daß eine wirkliche Änderung stattgefunden hatte. Gott aber, der die innere Güte im Menschen wirkt und auf Grund dessen ihm Gnade zuwendet, kann nicht seine Gnade ihm zuwenden, ohne daß im Willen des betreffenden Menschen eine Änderung vor sich gegangen wäre. Nun geht die Beleidigung der Todsünde von da aus, daß der Wille des Menschen von Gott abgewandt ist und zugewandt einem vergänglichen Gute. Also wird für den Nachlaß der Todsünde erfordert, daß der Wille des Menschen zu Gott gewandt werde unter Verabscheuung der vorhergehenden Zuwendung und mit dem Vorsatze, sich zu bessern. Dies aber ist eben der Wesenscharakter der Tugend der Buße. Also ohne diese ist kein Nachlaß einer Todsünde möglich. Das Sakrament der Buße jedoch vollzieht sich kraft der Lossprechung des Priesters. Und da kann Gott ohne diese die Sünde nachlassen; wie Christus es mit der ehebrecherischen Frau gethan: „Durch die Gnade zog Er sie,“ so Gregor (33. in Evgl.), „im Innern, die Er kraft seiner Barmherzigkeit außen aufnahm“ (Joh. 8.; Luk. 7.).
c) I. In den Kindern ist nur die Erbsünde; also keine aktuelle ungeordnete Zuwendung zum geschaffenen Gute, sondern eine zuständliche in der Natur. Die Sünde wird ihnen demnach erlassen und ihnen eingeflößt der Zustand der Gnade und der Tugenden; nicht aber eine aktuelle Umänderung im Thätigsein geht an ihnen vor sich. Der erwachsene Sünder jedoch hat in seinem Willen eine aktuelle thatsächlich im Wirken bestehende Unordnung; und so muß, auch bei der Taufe eines erwachsenen, eine aktuelle Umänderung des Willens bei ihm statthaben. II. Dies geht das Sakrament der Buße an. III. Die Barmherzigkeit Gottes ist größer wie die des Menschen; denn sie ändert den Willen selber um.
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