Sechster Artikel. Die nicht in der Liebe gethaenen, also die an sich toten Werke werden nicht lebendig durch die Buße.
a) Das Gegenteil wird behauptet. Denn: I. Schwerer ist es, daß etwas Ertötetes lebendig wird, was in der Natur nie geschieht, wie daß etwas, was nie lebendig war, Leben erhält, denn aus Nichtlebendigem wird in der Natur manches Lebendige. Wennalso die ertöteten Werke in der Buße wieder aufleben, so erhalten um so mehr Leben jene, die niemals lebendig waren. II. Wird die Ursache fortgenommen, so schwindet die Wirkung. Die Ursache aber davon, daß jene Werke nicht lebendig waren, ist der Mangel an Liebe. Fällt also dieser fort, so sind die genannten Werke sogleich lebendig; somit macht die Buße diese Werke zu lebendigen. III. Hieronymus erklärt zu Haggäus 1. (Seminastis multum): „Wenn du siehst, wie ein Sünder unter vielen bösen Werken einige gute, gerechte Werke macht, so ist Gott nicht ungerecht, daß Er bei der Menge der bösen Werke vergesse der wenigen guten.“ Das aber ist zumal der Fall, wenn die vergangenen bösen Werke durch die Buße entfernt werden. Dann also leben die anfangs toten Werke auf, daß Gott sie belohne. Auf der anderen Seite heißt es 1. Kor. 13.: „Wenn ich als Speise unter die armen verteile meine ganze Habe und meinen Leib dahin gebe daß er brenne; die Liebe aber nicht habe, so nützt mir dies nichts.“ Solche Werke würden aber nützen, wenn sie mindestens durch die nachfolgende Buße lebendig würden. Also werden solche Werke nicht lebendig.
b) Ich antworte; es werde 1. die Sünde ein totes Werk genannt, gleichsam wie wirkend den Tod der Seele; und solche toten Werke werden durch die Buße nicht lebendig, vielmehr werden sie getilgt, nach Hebr. 6.: „Daß ihr nicht zum zweiten Male das Fundament der Buße legt wegen der toten Werke.“ Es werden 2. jene Werke tot genannt, welche des geistigen Lebens ermangeln, weil sie nicht aus der Liebe hervorgehen, die mit Gott verknüpft, dem Leben der Seele, wie der Leib durch die Seele lebt. Dazu gehört der Glaube selber zuvörderst, der „ohne Liebeswerke tot ist“ (Jak. 2.). Und ebenso gehören dazu alle jene Werke, die ihrer „Art“ nach gut sind, aber nicht von der Liebe ihre Vollendung haben, dem Princip des Lebens; wie wir den Klang der Zither einen toten Klang nennen. Also ist der Unterschied zwischen toten und lebendigen Werken gemäß dem Princip, von dem sie ausgehen. Nun können aber die menschlichen Werke nicht von neuem ausgehen von ihrem Princip; denn sie gehen eben im Augenblicke vorüber und können nicht von vorn wieder angefangen werden, so daß dies der Zahl nach ein und dasselbe Werk wäre. Also unmöglich werden von vornherein tote Werke durch die Buße lebendig.
c) I. Im Bereiche der Natur ermangeln sowohl die von vornherein leblosen wie die nicht mehr Leben habenden Dinge des Lebensprincips. Menschliche Werke jedoch werden als ertötete, nicht mehr Leben habende bezeichnet; nicht weil ihnen das Princip nun fehlt, aus dem sie hervorgegangen, sondern weil ein Hindernis von außen her sich der Wirkung und den Folgen dieses Princips entgegenstellt. Tote Werke aber nennt man jene, die von keinem Lebensprincip ausgegangen sind. Da ist also keine Ähnlichkeit. II. Solche Werke, die ihrer „Art“ nach gut sind, werden als „tot“ bezeichnet auf Grund des Mangels der Gnade und Liebe; woraus sie nicht wie aus ihrem Princip hervorgegangen. Dies aber leistet ihnen die Buße nicht, daß sie aus einem solchen Princip ausgehen. III. Gott gedenkt des Guten, was jemand im Stande der Sünde macht, nicht, um es zu belohnen im ewigen Leben, das nur den aus Liebe gethaenen Werken gebührt; sondern um zeitlichen Lohn zu geben, wie Gregor sagt (41. in Evgl.): „Hätte jener reiche nicht manches Gute gethan, und in der Zeit seinen Lohn dafür empfangen, so würde Abraham ihm nicht sagen: Du hast als Lohn Gutes erhalten in deinem Leben.“ Oder mankann auch sagen; ein solcher wird ein erträglicheres Endurteil hören. Denn so sagt Augustin (de patientia 26.): „Wir können nicht sagen, der Schismatiker hätte besser gethan, Christum zu verleugnen und so nichts zu erleiden, als daß er deshalb litt, weil er Christum bekannte. Vielmehr muß man annehmen, sein Endurteil werde ein erträglicheres sein, als wenn er Christum verleugnet und so nichts gelitten hätte. Jene Worte des Apostels also: Wenn ich meinen Körper dahingäbe so daß ich brenne, die Liebe aber nicht habe, so nützt mir dies nichts, sind dahin zu verstehen, daß alles das ohne die Liebe nichts nützt, um die ewige Seligkeit zu erhalten; es nützt aber in etwa, um das Endurteil zu einem erträglicheren zu machen.“
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