Erster Artikel. Die Absicht ist wesentlich eine Thätigkeit des Willens.
a) Dementgegen scheint die Absicht oder gute Meinung vielmehr der Vernunft zuzugehören. Denn: I. Matth. 6. heißt es: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Körper leuchten,“ wo nach Augustin (2. de serm. Dom. i n monte c. 13.) durch das „Auge“ die Absicht oder gute Meinung ausgedrückt ist. Da nun das Auge das Organ oder Werkzeug des Sehens ist, so bezeichnet es ein auffassendes Vermögen. Also ist die Absicht vielmehr der Akt eines auffassenden wie eines begehrenden Vermögens. II. Augustin sagt desgleichen a. a. O., daß die Absicht vom Herrn als „Licht“ bezeichnet wird, wo Er sagt: „Wenn das Licht, welches in dir ist, Finsternis ist…“ Der Ausdruck „Licht“ aber weist auf das Erkennen hin. III. Die Absicht drückt eine gewisse Hinordnung aus auf den Zweck. Ordnen aber gehört der Vernunft an. IV. Die Thätigkeit des Willens richtet sich auf den Zweck oder auf das Zweckdienliche. Im ersten Falle wird sie „Genießen“ genannt, im zweiten Falle „Auswahl“; von welchen beiden Beziehungen die Absicht sich unterscheidet. Also geht sie nicht vom Willen aus. Auf der anderen Seite sagt Augustin (10. de Trin. 7.): „Die Absicht, welche im Willen sich findet, verbindet den gesehenen Körper mit dem Sehen; und ebenso das geistige Bild, welches im Gedächtnisse sich findet mit der Schärfe des Geistes, der innerlich denkt.“
b) Ich antworte, daß, wie der Name besagt, die Absicht auf etwas „absieht“, also nach etwas Anderem hinstrebt. Nach etwas Anderem hin aber strebt sowohl die Thätigkeit dessen, der in Beweguüg setzt, wie auch die Bewegung des Beweglichen. Daß nun die Bewegung des Beweglichen auf etwas Anderes sich richtet, das rührt von der Thätigkeit dessen her, der in Bewegung setzt. Die Absicht also gehört an erster Stelle und hauptsächlich dem an, was zum Zwecke hin in Bewegung setzt; weshalb wir vom Architekten oder überhaupt von jedem, der befiehlt, sagen, er setze durch seinen Befehl andere dahin in Bewegung, wohin er selber strebt. Nun ist es aber der Wille, welcher alle anderen Seelenkräfte in Bewegung setzt. Also ist die Absicht zu allererst und recht eigentlich eine Thätigkeit des Willens.
c) I. Die Absicht wird figürlich „Auge“ genannt, weil sie die Kenntnis voraussetzt, kraft deren dem Willen der Zweck vorgelegt wird, zu dem hin er bewegt. So sehen wir mit dem Auge, wohin wir die Bewegung unseres Körpers zu richten haben. II. Die Absicht wird „Licht“ genannt, weil sie dem Betreffenden, der sie hat, bekannt ist. Die da erwähnten Werke heißen Finsternisse, weil der Mensch wohl weiß, was er beabsichtigt; nicht aber, was aus seinen Werken, folgt, wie Augustin a. a. O. auseinandersetzt. III. Der Wille ordnet zwar nicht; aber er strebt nach etwas gemäß der Ordnung der Vernunft. Die ordnende Vernunft, welche zum Zwecke etwas hinordnet, wird also von dem Willen, der die Absicht hat, vorausgesetzt. IV. Der Wille berücksichtigt den Zweck in dreifacher Weise: 1. unbeschränkt und an und für sich; und das nennt man „Wollen“, wie wir z. B. die Gesundheit wollen; — 2. insofern im Zwecke der Wille sich ausruht; und dies nennt man „Genießen“; — 3. insofern der Zweck der Abschluß ist für das, was zu ihm hingeordnet oder bezogen wird; und dies nennt man „Absicht“. Denn wir sagen, unsere Absicht gehe auf die Gesundheit, nicht bloß deshalb, weil wir die Gesundheit wollen, sondern weil wir zu ihr durch etwas Anderes hindurch gelangen wollen; weil wir Anderes auf sie, als Mittel auf den Zweck, beziehen.
