Vierter Artikel. Mit ein und demselben Akte richtet sich der Wille auf den Zweck und auf das, was dem Zwecke dient.
a) Dem scheint entgegenzutreten: I. Augustin mit den Worten (11. de Trin. 6.): „Der Wille, das Fenster zu sehen, hat zum Zwecke, daß das Fenster gesehen wird; und ein anderer Wille ist es, vermittelst des Fensters die Vorübergehenden zu sehen.“ Das ist aber der Zweck, daß ich durch das Fenster die Vorübergehenden sehen will; und das ist das Zweckdienliche, daß ich das Fenster sehen will. Also ein anderer Akt ist es, der auf den Zweck sich richtet; und ein anderer, der dem Zweckdienlichen sich zuwendet. II. Die Thätigkeiten werden voneinander unterschieden gemäß den verschiedenen Gegenständen, auf die sich dieselben richten. Der Zweck aber und das Zweckdienliche sind verschiedene Gegenstände. Also bestehen demgemäß auch verschiedene Thätigkeiten. III. Das Wollen, was auf das Zweckdienliche hinzielt, wird als Auswahl bezeichnet. Es ist aber nicht das Nämliche: Auswahl und Absicht. Also ist dies nicht die nämliche Willensbewegung: die auf den Zweck gerichtete Absicht; und das Wollen, was dem Zweckdienlichen sich zuwendet. Auf der anderen Seite verhält sich das Zweckdienliche zum Zwecke wie das zu durchmessende Mittlere zum Zielpunkte. Aber ein und dieselbe Bewegung ist es, welche im Bereiche des rein Natürlichen durch das Mittlere, den Zwischenraum, durchgeht bis zum Zielpunkte. Also ist auch im Bereiche des Freiwilligen es die gleiche Bewegung oder Thätigkeit, welche den Zweck beabsichtigt, wie das Wollen dessen, was dem Zwecke dient.
b) Ich antworte, daß die Willensbewegung mit Rücksicht auf den Zweck und das Zweckdienliche, in doppelter Weise betrachtet werden kann: einmal, insofern der Wille auf jedes von beiden sich richtet und jedes von beiden an und für sich, das eine ohne Rücksicht auf das andere will; und so sind es zwei Willensakte; — dann, insofern der Wille auf das Zweckdienliche geht um des Zweckes willen; und so ist es ein und dieselbe Willensbewegung, welche dem Zwecke und dem Zweckdienlichen zugewandt ist. Denn wenn ich sage: Ich will das Heilmittel wegen der Gesundheit, so drücke ich nur eine einzige Willensbewegung aus. Und davon ist die Ursache, daß eben der Zweck dafür den Grund bildet, daß das Zweckdienliche gewollt wird. Der nämliche Akt aber umfaßt und schließt ein den Gegenstand und den Grund, weshalb letzterer vom Akte erreicht wird oder unter welchem Gesichtspunkte er den Akt begrenzt; wie ein und dasselbe Sehen die Farbe umfaßt und den Grund, weshalb die Farbe gesehen wird, nämlich das Licht. So geht es auch ähnlich bei der Vernunft. Denn wenn das Princip für sich erwogen wird und die daraus sich ergebende Schlußfolgerung für sich, so sind zwei voneinander verschiedene Erwägungen. Wenn ich aber auf Grund des Princips dem Schlüsse beistimme, so ist das ein und derselbe Erkenntnisakt.
c) I. Augustin spricht hier, insoweit das Fenster für sich gesehen wird und die Vorübergehenden wieder für sich; nicht insoweit ich das Fenster sehen will um des Sehens der Vorübergehenden willen. II. Insofern das was den Zweck vorstellt eine für sich bestehende Sache ist, bildet es einen anderen Gegenstand des Willens wie das Zweckdienliche; — insofern es aber der Grund ist, um das Zweckdienliche zu wollen, ist es ein und derselbe Gegenstand. III. Ein und dieselbe Bewegung dem Subjekte, d. h. dem in Bewegung befindlichen Dinge nach, kann der Auffassung der Vernunft gemäß eine Unterscheidung zulassen gemäß dem Anfange und dem Ende, wie das Hinaufsteigen und Hinabfteigen. (3 Physic.) So also, insofern die Willensbewegung sich auf das Zweckdienliche richtet als auf das, was zum Zwecke hingeordnet oder hinbezogen wird, besteht da die Auswahl. Richtet sich aber der Wille auf das Zweckdienliche als auf das, wodurch der Zweck thatsächlich erreicht wird, so ist dies die Absicht. Und davon ist das beste Zeugnis, daß die Absicht sich ganz gut auf den Zweck richten kann, trotzdem was zum Zwecke dient, worauf also die Auswahl sich bezieht, noch nicht bestimmt ist.
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