Dritter Artikel. Ein Beratschlagen findet nur statt rückstchtlich dessen, was von uns gewirkt wird.
a) Das Gegenteil erhärten folgende Gründe: I. Beratschlagen besagt: das eine mit dem anderen vergleichen. Ein solches Vergleichen kann aber auch geschehen rücksichtlich dessen, was unbeweglich feststeht; wie z. B. rücksichtlich der Natur in den verschiedenen Dingen. Also berücksichtigt der Ratschlag nicht vorzugsweise oder gar allein unsere eigene Thätigkeit. II. Bisweilen suchen die Menschen Rat darüber, was durch Gesetze bereits festgestellt ist; und werden jene, die darüber um Rat gefragt werden, jurisconsulti, Ratskundige oder Rechtsräte, genannt. Die aber um Rat fragen, haben nicht deshalb die Obliegenheit, Gesetze zu machen. Also nicht um das, was von ihrer Thätigkeit ausgeht, fragen sie um Rat. III. Manche fragen um Rat wegen Dinge, die in der Zukunft liegen, die also nicht in ihrer Gewalt stehen. IV. Auf der anderen Seite sagt Gregor von Nyssa (l. c. 34.): „Wir beraten uns darüber, was in uns ist und was durch uns geschehen kann.“
b) Ich antworte, daß Beratschlagen eigentlich einschließt ein Vergleichen, was zwischen mehreren stattfindet; weshalb auch „Rat“ nicht selten von vornherein „Ratsversammlung“ bedeutet, weil eben viele da versammelt sind, um zu vergleichen. Dabei ist nun zu berücksichtigen, daß in den besonderen einzelnen Dingen und Verhältnissen, damit etwas Zuverlässiges erkannt werde, viele einzelne Umstände erwogen werden müssen, welche ein einzelner nur mit großen Schwierigkeiten erfassen kann, eine Vielheit aber leichter wahrnimmt, insofern der eine findet, was dem anderen entgeht. Handelt es sich jedoch um Allgemeines und Notwendiges, so ist die entsprechende Erwägung leichter und zuverlässiger und kann dafür mit Recht ein einzelner genügen. Deshalb also berücksichtigt das Beratschlagen so recht eigentlich die zufälligen einzelnen und besonderen Dinge und Verhältnisse. Nun ist in solchen Dingen die Wahrheit an und für sich nichts Großes, daß sie für sich allein begehrbar sei wie dies der Fall ist mit der Kenntnis des allgemeinen und notwendigen Elementes in den Dingen; also mit ihrem Wesen. Vielmehr wird eine solche Kenntnis der einzelnen Umstände nur begehrt, insoweit sie nützlich ist für die Thätigkeit, da ja alles Thätigsein überhaupt sich mit dem Einzelnen, Zufälligen befaßt. Und demgemäß wird Rats gepflogen im eigentlichen Sinne darüber, was durch uns zu geschehen hat.
c) I. Beratschlagen besagt wohl ein gewisses Vergleichen; jedoch über das, was gethätigt werden soll. II. Das bestehende Gesetz ist da, um das Thätigsein zu leiten; und deshalb wird danach gefragt. Das Gebot des Gesetzes ist ein Grund, um etwas zu thun. III. Rat wird erteilt auch über das, was auf die Thätigleiten Bezug hat. Und weil der Mensch durch die Kenntnis des Zukünftigen geleitet wird, um gegenwärtig etwas zu thun oder zu lassen, wird beratschlagt über zukünftige Ereignisse. IV. Wir suchen Rat rücksichtlich des Thätigseins anderer, insoweit diese irgendwie eins sind mit uns; sei es kraft der Freundschaft, sei es auf Grund des Verhältnisses zwischen dem Hauptwirkenden und den Helfern, wie der Herr darüber Rat sucht, was der Knecht zu thun hat.
