Vierter Artikel. Der Ratschlag betrifft nicht Alles, was durch uns geschieht.
a) Dementgegen: I. Ist „die Auswahl das Verlangen nach dem, was vorher durch das Beratschlagen festgestellt worden“. (Art. 1.) Die Auswahl aber berücksichtigt Alles, was durch uns geschieht. II. Der Ratschlag schließt das Untersuchen der Vernunft in sich ein. In allem dem aber, was nicht dem Ungestüm der Leidenschaft zufolge geschieht, gehen wir vor vermittelst des Untersuchens der Vernunft. III. Aristoteles sagt (3 Ethic. 3.): „Wenn wir durch mehrere Mittel etwas vollenden können, dann wird durch die Beratschlagung untersucht, durch welches aus diesen mehreren es am leichtesten und am besten vollendet wird; wenn aber nur ein Mittel besteht, so wird untersucht, in welcher Weise was geschehen soll vollendet werde.“ Alles aber, was geschieht, wird vollendet entweder durch ein oder durch mehrere Mitteln. Also Alles, was durch uns geschieht, ist Gegenstand des Ratschlages. Auf der anderen Seite fagt Gregor von Nyssa (l. c. 34.): „In den Werken, welche gemäß den Regeln der Kunst oder gemäß dem Gelernten geschehen, ist kein Beratschlagen.“
b) Ich antworte, das Beratschlagen sei ein Untersuchen; das aber ist Gegenstand des Untersuchens, was bezweifelt wird. Deshalb wird auch der Beweisgrund, also eben die Vernunft insoweit sie untersuchend schließt, begrifflich bestimmt als „das Mittel, welches glaubwürdig macht, was vorher zweifelhaft war.“ Daß aber im Bereiche des menschlichen Wirkens etwas außerhalb eines Zweifels gestellt ist, rührt von zwei Gründen her: 1. daher daß man durch bereits bestimmte Mittel zu von vornherein bestimmten Zweckengelangt, wie dies bei den Künsten der Fall ist, welche ganz klare Regeln haben, gemäß denen sie vorgehen; der Schreiber z. B. hält darüber nicht Rat, in welcher Weise er die Buchstaben zeichnen muß, denn das ist bereits bestimmt durch die Schreibkunst; — 2. rührt dies da her, daß es sich um Kleinigkeiten handelt, wo es nicht darauf ankommt, ob etwas so oder so geschieht. Zweierlei also ist nicht Gegenstand des Ratschlages (3 Ethic. 3.): 1. „Kleinigkeiten; und 2. was bereits z. B. in den Künsten vorgezeichnet ist, wie es zu geschehen hat; außer etwa in den Künsten, die schon in ihrer Natur auf Untersuchungen angewiesen sind, wie Arzneikunde, die kaufmännische Kunst u. dgl.
c) I. Die Auswahl setzt voraus das Beratschlagen mit Rücksicht auf den schließlichen Spruch oder das Endurteil. Ist also dieser Spruch offenbar ohne Untersuchen, so bedarf es nicht des Beratschiagens. II. In offen vorliegenden Dingen untersucht die Vernunft nicht, sondern urteilt unmittelbar sogleich. Also nicht in Allem, was vermittelst der Vernunft geschieht, bedarf es des Ratschlages. III. Wann etwas nur durch ein Mittel und nur auf eine Weise geschehen kann, so ist alles Beratschlagen überflüssig.
