19.
Ich meine zwar, vorstehendes Gleichnis schon einmal gebraucht zu haben; doch paßt es auch auf diesen Punkt, über den ich mich noch etwas verbreiten will, weil ich manche Seelen sehe, die hierin von großer Betrübnis heimgesucht werden. Sie beginnen mit großartigen Begierden, mit flammendem Eifer und mit dem festen Entschlusse, in der Tugend voranzuschreiten. Auch haben manche, was das Äußere betrifft, um Gottes willen schon alles verlassen. Sie sehen nun an anderen, die weiter vorangeschritten sind, sehr große und erhabene Tugenden, die ihnen der Herr verleiht, die wir aber aus uns selbst nie erlangen können. Auch lesen sie in allen Büchern, die über das Gebet und die Beschauung geschrieben sind, was man tun müsse, um zu dieser Würde zu gelangen; weil sie es aber nicht gleich zustande bringen, darum betrüben sie sich. Sie lesen z. B., man müsse es mit Gleichmut ertragen, wenn andere übel von uns reden, und sich noch mehr freuen, als wenn sie Gutes von uns redeten; man solle die Ehre verachten und von den Verwandten so losgeschält sein, daß man, wenn sie nicht dem Gebete ergeben sind, gar nicht mehr mit ihnen verkehren möchte und den Umgang mit ihnen sogar lästig finde. Dies alles aber und anderes dergleichen muß nach meinem Dafürhalten Gott geben; denn es sind dies, wie mir scheint, schon übernatürliche oder doch solche Güter, die gegen unsere natürliche Neigung streiten. Darum sollen solche Anfänger sich nicht härmen, sondern auf den Herrn hoffen, er werde ihnen mit seiner Gnade noch dazu verhelfen, die guten Begierden, die sie jetzt haben, ins Werk zu setzen, wenn sie nur beten und tun, was in ihren Kräften steht. Denn gerade wegen unserer schwachen Natur ist es sehr notwendig, daß wir den Mut nicht sinken lassen, sondern ein großes Vertrauen haben und glauben, daß wir, wenn wir uns Gewalt antun, den Endsieg erringen werden.
