1.
Es ist sehr beschämend für mich, euch zur Übung einer Tugend zu bereden, die ich zuvor selbst, wenigstens einigermaßen, geübt haben sollte, von der ich aber bekennen muß, daß ich in ihr noch sehr wenig zugenommen habe. Immer meine ich einen Grund zu haben, der mich glauben macht, es sei der Tugend angemessener, wenn ich mich entschuldige. Weil manchmal die Entschuldigung erlaubt ist und deren Unterlassung unrecht wäre, so habe ich nicht die Unterscheidungsgabe, oder, besser gesagt, nicht so viel Demut, um zu tun, was sich geziemt. Es ist in Wahrheit große Demut, sich unschuldig verurteilt zu sehen und doch zu schweigen; es ist dies eine vortreffliche Nachahmung des Herrn, der alle Schulden von uns genommen hat. Darum bitte ich euch dringend, die Übung dieser Tugend euch recht angelegen sein zu lassen, da sie großen Gewinn verschafft. Dagegen sehe ich nicht ein, welchen Nutzen es bringen könnte, wenn wir uns selbst zu entschuldigen suchen, es sei denn, wie gesagt, in gewissen Fällen, in denen aus dem Verschweigen des wahren Sachverhaltes Verdruß oder Ärgernis entstehen könnte. Dies werden indessen jene, die mehr Unterscheidungsgabe haben als ich, besser zu beurteilen wissen.
