13.
Hier fängt der Herr an, der Seele eine solche Freundschaft zu bezeigen, daß er ihr nicht bloß ihren Willen wieder läßt, sondern ihr auch den seinigen dazugibt. In dieser Freundschaft ist es seine Freude, daß sich beide, wie man zu sagen pflegt, gegenseitig in die Herrschaft teilen; er gewährt der Seele, die alles tut, was er befiehlt, auch seinerseits alles, um was sie ihn bittet, und zwar weit besser, als sie zu bitten vermag, da er mächtig ist und alles kann, was er will, und es ihm nie am Wollen fehlt. Die arme Seele aber kann, obwohl sie will, nicht tun, was sie gern täte; ja, sie kann überhaupt nichts tun, als was ihr gegeben wird. Ihr größter Reichtum besteht darin, daß sie um so mehr Schuldnerin wird, je mehr sie dient. Sie möchte gern etwas von ihrer Schuld abtragen, sieht sich aber, weil sie noch im Gefängnis dieses Leibes zurückgehalten ist, von so vielen Schwierigkeiten, Hindernissen und Fesseln umgeben, daß sie sich oft darüber härmt. Doch da ist sie recht albern. Mögen wir auch alles tun, was in unseren Kräften steht, was können wir dem Herrn vergelten? Ich wiederhole, wir vermögen nichts zu geben, als was wir empfangen haben. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als daß wir unser Unvermögen erkennen und vollkommen tun, was in unserer Macht liegt, nämlich ihm unseren Willen zu schenken. Alles übrige würde der Seele, die Gott zu dieser erhabenen Stufe des Gebetes erhoben hat, anstatt nützen, nur hinderlich und schädlich sein. Die Demut allein ist es, die hier etwas vermag, und zwar nicht eine durch Nachsinnen des Verstandes erworbene Demut, sondern jene Demut, die der Seele durch klares Schauen der Wahrheit zuteil geworden ist. Dadurch erfaßt man in einem Augenblicke, was man durch Anstrengung der Einbildungskraft in langer Zeit nicht erfassen kann; wir erkennen, wie wir selbst so gar nichts sind und wie Gott allein alles ist.
