Fünfter Artikel. Eine Absicht kommt nicht den Tieren zu.
a) Dem muß entgegengehalten werden: I. In den der Erkenntnis baaren Wesen ist die Natur weiter entfernt von der vernünftigen Natur wie die sinnbegabte Natur, die sich in den Tieren findet. Aristoteles (2 Physic.) beweist aber, daß die Natur nach dem Zwecke strebt auch in den der Erkenntnis baren Wesen. Also ist dies bei weitem mehr der Fall bei den Tieren. II. Wie die Absicht, so richtet sich auch das Genießen auf den Zweck. Dieses aber kommt den Tieren zu. (Vgl. oben.) III. Dem gehört es zu, seine Absicht auf einen Zweck zu richten, wem es eigen ist, um des Zweckes willen thätig zu sein; da „Beabsichtigen“ nichts Anderes ist als „auf etwas Anderes sein Absehen haben“. Die Tiere aber sind thätig um des Zweckes willen; denn sie bewegen sich, um Speise u. dgl. zu suchen. Auf der anderen Seite erfordert die Absicht, welche sich ja auf den Zweck richtet, die Hinordnung von etwas zum Zwecke hin; was der Vernunft eigen ist. Die Tiere aber haben keine Vernunft. Also kommt ihnen keine Absicht zu.
b) Ich antworte, daß „Beabsichtigen“ heißt, „es auf etwas absehen,“ also zu etwas Anderem hinstreben. Dies aber kann eigen sein dem in Bewegung Setzenden und dem Bewegten. Insofern also von dem, was von einem anderen in Bewegung gesetzt wird, man sagt, es strebe dem Zwecke zu dadurch daß es in Bewegung ist, gilt es von der bloßen Natur, daß sie auf den Zweck sich richtet; denn sie wird zu ihrem Zwecke hinbewegt von Gott, wie der Pfeil vom Schützen; — und auf diese Weise streben auch die Tiere nach dem Zwecke, insoweit sie durch den von der Natur gegebenen Antrieb zu etwas hin in Bewegung gesetzt werden. In anderer Weise aber kommt es dem in Bewegung Setzenden zu, dem Zwecke zuzustreben, denn er ordnet seine eigene Thätigkeit oder die eines anderen Wesens zum Zwecke hin; und das kann nur die Vernunft. Das nennt man aber im eigentlichen Sinne: Beabsichtigen; das können die Tiere nicht.
c) I. Da ist das „nach dem Zwecke streben“ genommen im erstgenannten Sinne, insoweit die Natur in Thätigkeit ist oder in Bewegung zum Zwecke hin; aber sie ist dazu von außen her in Thätigkeit gesetzt, ohne daß sie selber in sich ein Princip hätte, welche das Zweckdienliche, die Bewegung, zu einem Zwecke hin lenkt. II. „Genießen“ will nur besagen: absolutes Ausruhen im Zwecke; und nicht eine Beziehung des einen zum anderen. III. Nicht deshalb sind die Tiere zum Zwecke hin in Bewegung, weil sie etwa überlegten, sie könnten durch ihre Bewegung den Zweck erreichen; das ist eigen jenem Wesen, das seine Absicht auf etwas richtet. Vielmehr werden sie durch die von Natur eingegebene Begierde zum Zwecke hin getrieben; gerade so wie die übrigen vernunftlosen Dinge im Bereiche der Natur.
