13.
S. 275 Über Mar[i] Jakob und seine Amtsgenossen.
Nach der Melodie: Wunderbar ist alles, was du ertragen.
Die drei glorreichen Priester haben wie die zwei Himmelsleuchten1einander abgelöst und Bischofsstuhl, Handauflegung und Herde einander übertragen. [5] Zwar ist unsere Trauer groß um die beiden ersten, doch gibt uns der letzte vollen Trost. – [Kehrvers:] Preis sei dir, der du sie auserwählt!
Der, welcher die zwei Leuchten schuf, wählte sich drei Leuchten aus [10] und stellte sie in den drei Finsternissen2auf, die uns einschlossen; ein Paar der Leuchten sind erloschen, die letzte strahlt in vollem Glanz.
Die drei Priester als Schatzbewahrer [15] besaßen in ihrer Treue den Schlüssel zu einer Dreiheit: drei Pforten öffneten sie uns, ein jeder von ihnen öffnete mit seinem Schlüssel zu seiner Zeit seine Pforte.
[20] Durch den ersten öffnete er die Pforte der Heimsuchung, die über uns kam, durch den mittleren öffnete er die Pforte der königlichen Würde, die bei uns Einzug nahm3, durch den letzten öffnete er die Pforte [25] für die Hoffnung, die sich bei uns erhob4.
Durch den ersten öffnete er das Tor zum Kampfe beider Völker, durch den zweiten öffnete er die Pforte den Königen von beiden Windrichtungen, [30] durch den dritten öffnete er die Pforte für die Gesandten von beiden Seiten.
Durch den ersten öffnete er die Pforte für den Krieg wegen der Sünden, durch den zweiten öffnete er die Pforte [35] den Königen zum Kampfe, durch den letzten öffnete er die Pforte den Gesandten aus Barmherzigkeit.
Sieh, an diesen dreien, die aufeinander folgten, läßt sich wie in einem geheimnisvollen Bild [40] der Zorn mit der Sonne vergleichen; er fing an bei dem ersten, S. 276 wurde stärker bei dem zweiten, versank und verlöschte bei dem letzten.
Auch die Sonne zeigt ein dreifaches Aussehen [45] in drei verschiedenen Zeiten; hell und leuchtend von Anfang, heftig brennend in der Mitte, am Ende sanft und lieblich, wie eine Lampe5, die verlöscht.
[50] Mild und leuchtend ist der Anfang, wenn sie kommt, um die Schläfer zu wecken, heiß und brennend ist sie am Mittag, um die Früchte zur Reife zu bringen, sanft und angenehm, [55] wenn sie der Vollendung entgegengeht.
Wer ist jene geweihte Jungfrau6, gepriesen von allen Frauen, bei der die Nachfolge sich so vollzieht, deren Weihen so zahlreich sind, [60] deren Stufen so aufsteigen, deren Lehrer so hervorragend sind?
Besaß nur die Tochter Abrahams [d. h. das Volk Israel] solche Formen, oder nicht auch du, geweihte Jungfrau, [65] deren Schönheit auch der Schmuck entsprach? Wie ihre Zeit, war auch ihre Hilfe, und wie ihre Hilfe, ihr Vollstrecker.
Wenn mangelte, was sie bedurfte, so kam die Erfüllung ihres Mangels; [70] ihre Väter waren ihren Kindern angepaßt, ihre Lehrer ihren Fähigkeiten, ihre Erziehung ihrem Wachstum, ihre Kleidung ihrer Gestalt.
Abgewogen gab die Gnade [75] alles wie auf einer Wage, sie brachte es ins Gleichgewicht, damit aus ihnen Nutzen hervorgehe; sie setze sie fort in der Nachfolge, damit aus ihnen die Vollendung hervorsprieße.
[80] In den Tagen des ersten war tiefer Friede, in den Tagen des zweiten kamen und gingen die Könige, in den Tagen des letzten [85] drohten die Heere und verschwanden wieder7.
Mit dem ersten trat Ordnung ein, sie kam mit ihm und ging mit ihm fort, mit dem zweiten näherte und S. 277 entfernte sich wieder die Krone, die unsere Kirchen erfreut, [90] mit dem letzten stieg die Gnade zu uns herab, die nicht vergolten werden kann.
Gegen den Zorn am Anfang wendete sich die Sorge des ersten, gegen die Hitze des Mittags [95] erhob sich der Schatten des zweiten, gegen den schmählichen Frieden richtete der letzte viele Ermahnungen.
Dem ersten Belagerer ging der erste ruhmreiche Priester entgegen, [100] dem zweiten Belagerer trat der zweite mildherzige Priester entgegen, die Gebete des letzten schlossen unbemerkt unsere Breschen8.
Nisibis ist auf Wassern erbaut, [105] verborgenen und offenen Wassern, lebendige Quellen sind innerhalb, ein stolzer Fluß außerhalb9; der Fluß draußen betrog sie [die Stadt Nisibis], die Quelle drinnen rettete sie.
[110] Der erste Priester, ihr Gärtner, machte ihre Triebe bis in den Himmel wachsen: er starb und ward in ihr begraben, und als Frucht verblieb er in ihrem Busen; als nun die Schnitter kamen, [115] da rettete sie die Frucht in ihrem Busen.
Es kam nun die Zeit, da sie abgeschnitten werden sollte, es drang jener ein, der ihren Gärtner hinwegführen wollte10, damit er nicht mehr für sie beten könnte; eilig barg sie in ihrer Klugheit [120] ihren Gärtner in ihrem Busen, damit sie Rettung fände durch ihren Gärtner.
Kluge Töchterstädte von Nisibis, werdet ähnlich Nisibis, die den Körper in sich barg, [125] und er ward zum Bollwerk nach außen; berget in euch den lebendigen Leib, damit er das Bollwerk eures Lebens sei.
d. h. Sonne und Mond. ↩
die Belagerungen. ↩
Hinweis auf den Besuch des Kaisers Konstantius in Nisibis [345]. ↩
Die Friedensverhandlingen [358]. ↩
Das syrische Wort muß „nabreschta“ gelesen werden. ↩
d. h. die Kirche von Nisibis. ↩
Der Krieg begann erst kurz vor dem Tode des Jacobus [338], dann folgte unter Babu eine Periode ständigen Kampfes; der Anfang des dritten war unruhig, dann trat Friede ein. ↩
Hier wird jedem der drei Bischöfe eine ausschlaggebende Bedeutung bei den drei Belagerungen zugesprochen. ↩
Der Mygdonius fließt außerhalb der Stadt, nicht, wie Theodoret sagt, durch die Stadt. Die Beschreibung des heutigen Zustandes siehe bei Sachau, Reise in Syrien und Mesopotamien, Leipzig 1883, S. 390 f. ↩
Gennadius, de vir. ill. 1 erzählt sogar, daß Sapor die Gebeine des Jacobus entführt habe; es scheint aber nach unserm Gedicht, daß es ihm nicht gelungen ist. ↩
