1.
Das älteste Stück unter den Martyrerakten des zweiten Jahrhunderts bildet der Brief, in dem die Kirche von Smyrna der Schwesterkirche zu Philomelion in Kleinasien das Martyrium ihres Bischofs Polykarp schildert. Polykarp starb für Christus am 23. Februar des Jahres 156. Nicht als ob mit diesem Schriftstück die für uns greifbare Geschichte des christlichen Blutzeugnisses begänne. In den hundert Jahren zwischen dem „Bestienkampf“ des Paulus in Ephesus (1 Kor. 15, 32) und dem Tod des Polykarp in Smyrna haben immer wieder Christen mit ihrem S. 6 Blut Zeugnis abgelegt für den Tod und die Auferstehung des Wortes. Somit sind für uns die ersten Martyrerakten der Bericht über den Tod des Stephanus (Apg. 7, 54—60), über die Leiden der jungen Christengemeinden (Apg. 8,1—3; Hebr. 10,32—39; 1 Petr. 3, 13—17; Offb. 2, 9—11; 6, 9—11), über die Grausamkeiten der neronischen Christenhetze des Jahres 64 bei Klemens von Rom (Korintherbrief 5, 6), ja selbst bei dem Römer Tacitus, der darüber ungewollt großartig schreibt (Annales XV, 44). Unsterbliches Zeugnis heroischen Martyrergeistes ist die Briefsammlung des Bischofs Ignatius von Antiochien; von Bekennermut und Menschenschwäche unbekannter Christen aus dem Volk in Bithynien und Pontus berichtet uns der Briefwechsel zwischen Kaiser Trajan und dem jüngeren Plinius. Damals erlitt den blutigen Zeugentod auch der greise Bischof Symeon von Jerusalem, „der den Herrn noch gesehen und gehört hat“ (Eusebius, Kirchengeschichte III, 32). So hat also das christliche Martyrium schon eine reiche Geschichte hinter sich, da sich im Jahre 157 zu Smyrna ein unbekannter Christ namens Markion hinsetzt, um seinem Schreiber Euaristos den Augenzeugenbericht über den Tod des geliebten Bischofs Polykarp zu diktieren.
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