7.
Mit dem siebten und letzten Dokument aus dem zweiten Jahrhundert kehrt unser Blick wieder zurück nach Rom, dem „fruchtbaren Ackerfeld der Blutzeugen“, und geht zugleich hinauf zu den Höhen der antiken Bildung und Lebensführung, auf denen gerade in den ersten Jahren des Kaisers Kommodus „manche, die in Rom durch Reichtum und adelige Abstammung höchstes Ansehen genossen, mit ihrem ganzen Hause den Weg des Heiles fanden“ (Eusebius, Kirchengeschichte V, 21). Zu diesen gehört der feingebildete Apollonius, der in den Jahren zwischen 180 und 185 vor dem Richterstuhl des Tigidius Perennis stand, des Kommandanten der kaiserlichen Prätorianergarde, von dem der Geschichtsschreiber Cassius Dio so manches Verbrechen zu berichten weiß. Seine Gerichtsakten, die schon leise überarbeitet scheinen, ohne daß indes dadurch die Glaubwürdigkeit wesentlich getrübt wird, sind uns in griechischer und armenischer Überlieferung erhalten. Beide Textgestaltungen haben neben manchen Zusätzen echtes Gut überliefert, so daß die hier vorgelegte Übersetzung, die sich grundsätzlich an den griechischen Text hält, einiges auch aus der armenischen Rezension übernommen hat. Hier legt ein vornehmer Geist, ein römischer Aristokrat, in den Gedanken und Formen der damaligen christlichen Apologetik, aber durchpulst von heimlichem Pathos und voll edelster Menschenwürde, sein Zeugnis für Christus ab.
S. 14 So ziehen denn in diesen sieben Dokumenten, so zufällig und trümmerhaft ihre Überlieferung auch sein mag, an uns alle Vertreter der christlich gewordenen Menschheit aus allen Teilen des Römischen Imperiums vorüber: eine katholische Kirche im kleinen. Bischöfe von der ragenden Größe eines Polykarp und Pothinus, Diakone wie Sanctus von Vienna und Papylos von Thyatira; Gelehrte wie Justinus, der Arzt Alexander von Lugdunum, der Rechtskenner Lucius, der Senator Apollonius; Damen und Sklavinnen, schwache und begeisterte Frauen; blühende junge Menschen wie der fünfzehnjährige Junge Pontikus aus Lugdunum: alle sind sie da und geben Zeugnis für das Wort. Sie kommen aus dem königlichen Smyrna am Meer, dem marmorstrahlenden Pergamon, aus Lugdunum und Karthago und, allen voran, aus dem kaiserlichen Rom, von wo die Christen in Afrika den wahren Glauben erhielten, wohin noch im Jahr vor dem Martyrium der greise Polykarp reiste, wohin die Christen von Lugdunum aus dem Gefängnis an den Papst, den „geliebten Vater Eleutherus“, schrieben. Wahrlich, diese sieben schlichten Dokumente aus dem zweiten Jahrhundert sind ein ganzer Abriß der Urgeschichte der Kirche. Aber sie sind auch mehr: wir müssen ihnen noch den Herzschlag ablauschen, denn sie enthalten eine wundersame, tiefsinnige Theologie des christlichen Zeugnisses für das Wort.
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