6.
Ganz anders geartet als das in schwerem Griechisch dahinrauschende Epos der Märtyrer von Lugdunum ist das nun folgende Dokument. Es führt uns als erstes Schriftstück der christlichen Literatur in das heiße Land um Karthago, das uns später Cyprian und Augustinus geschenkt hat. Es spricht zum ersten Male in der Geschichte der Kirche lateinische Laute. Es handelt von ein paar schlichten Christen aus dem Volk, aus einer kleinen numidischen Provinzstadt namens Scili. Und es ist unter allen Martyrerakten jenes Stück, das am schlichtesten, mit einer geradezu monumentalen Nüchternheit, den protokollarischen Bericht einer Gerichtsverhandlung aufbewahrt hat. Am 17. Juli des Jahres 180, also schon unter Kaiser Kommodus, dem mißratenen Nachfolger Mark Aurels, standen sie im Gerichtssaal zu Karthago. Man hatte bei ihrer Verhaftung auch einen Kasten mit Papyrusrollen aufgefunden, der dann bei der Verhandlung auf seinen Inhalt — es waren Paulusbriefe — untersucht wurde. Diese einfachen Männer und Frauen aus Scili sind zu der hohen Ehre gekommen, die „Erstlinge unter den afrikanischen Blutzeugen“ (Tertullian, Ad Scapulam 3) zu sein. Noch Augustinus hat auf sie herrliche Lobreden gehalten. Aber mehr als diese und mehr als die prunkvolle Basilika, die sich in Karthago zu ihrer Ehre erhob, sind ihr unvergänglicher Ruhm die Gerichtsakten, die für immer ihren Namen tragen. „Heute, ihr Märtyrer, sind wir im S. 13 Himmel. Gott sei Dank!“ Stolzer und kindlicher ist niemals Zeugnis für das Wort abgelegt worden.
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