8.
Hab’ nach der Betrachtung der Seele gefälligst acht auch auf den Bau des Körpers und bewundere ihn als würdige Wohnung, die der beste Werkmeister für die vernünftige Seele geschaffen hat. Aufrecht hat er von den lebenden Wesen nur den Menschen gestaltet, auf daß du schon von der Gestalt erkennest, daß dein Leben eine überirdische Herkunft hat. Denn alle Vierfüßler blicken zur Erde und neigen sich zum Bauche hin; dem Menschen ist vorbehalten der Aufblick zum Himmel, damit er nicht dem Bauche diene und den Gelüsten des Bauches, sondern sein ganzes Streben auf den Weg nach oben richte. Sodann hat er das Haupt zu oberst aufgesetzt und in ihm den wichtigsten Sinnen den Sitz angewiesen. Hier sind Gesicht, Gehör, Geschmack, Geruch, alle nahe beieinander. Und so eng die Sinne auch beieinander sitzen, keiner hemmt die Betätigung des Nachbarn. Die Augen haben ja die höchste S. 195 Warte eingenommen, damit ihnen kein Glied des Körpers im Wege stehe, daß sie vielmehr, unter dem kleinen Vorsprunge der Augenbrauen liegend, von ihrer hohen Lage aus frei um sich sehen können. Das Ohr sodann hat seine Öffnung nicht geradeaus, sondern nimmt in einem gewundenen Gange die Töne aus der Luft auf. Auch das ist eine Einrichtung höchster Weisheit: die Stimme kann ungehindert hineindringen oder vielmehr hineintönen, gebrochen durch die Windungen, ohne daß etwas von außen her hineinfallen kann, was dem Sinne hinderlich wäre. Acht’ auch auf die Beschaffenheit der Zunge, wie zart und geschmeidig sie ist, und wie sehr sie mit allen möglichen Bewegungen jedem Bedürfnis der Rede entspricht! Die Zähne sodann sind Stimmorgane, indem sie der Zunge eine feste Stütze geben; zugleich sind sie auch beim Essen Gehilfen, indem die einen die Speise zerschneiden, die andern sie zermalmen. Wenn du so alles gehörig überlegst und durchgehst und beobachtest, wie die Luft durch die Lungen eingesogen, die Wärme im Herzen erhalten wird, beobachtest die Werkzeuge der Verdauung, die Adern des Blutes, so wirst du aus all dem die unerforschliche Weisheit deines Schöpfers ersehen, so daß du auch mit dem Propheten sprechen kannst: „Wunderbar ward (mir) die Erkenntnis deiner aus mir1.“
„Hab’ also acht auf dich selbst!“ damit du auf Gott achthabest, dem die Ehre und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.
Ps. 138, 6 [Hebr. Ps. 139, 6]. — Im obigen Sinne versteht Basilius die zitierte Psalmstelle, obschon deren ursprünglicher Sinn wäre: „Wunderbar ist dein Wissen von mir.“ ↩
