39.
1. Es müssen aber die, welche nach dem Heile streben, im voraus erfaßt haben, daß zwar die ganze Schöpfung für uns zum Gebrauche da ist, daß aber der Besitz nur dem genügenden Auskommen dienen soll und man sich dies auch mit wenigem verschaffen kann. Denn töricht sind die, welche sich wegen ihrer Unersättlichkeit an dem bloßen Besitz von Kostbarkeiten freuen. „Wer Lohn sammelt“, so heißt es, „sammelt in einen durchlöcherten Beutel.“ 1 Das ist der, der das Getreide sammelt und verschließt und doch ärmer wird, 2 der niemand davon mitteilt.
2. Spott und schallendes Gelächter verdient es aber, daß die Männer silberne Uringefäße und gläserne Nachtgeschirre mit sich herumtragen lassen, wie sie ihre Ratgeber mit sich führen, 3 und daß jene Frauen, die reich sind ohne Verstand, sich Behälter für ihre Ausscheidungen aus Gold machen lassen, so daß die reichen Frauen sich nicht einmal entleeren können, ohne ihre Hoffart zu zeigen. Ich wünschte nur, daß von ihnen das ganze Leben hindurch das Gold für würdig des Kotes erachtet würde. 4
3. Nunmehr ist aber die Geldgier als die Hochburg der Schlechtigkeit 5 erfunden worden, die der Apostel eine Wurzel aller S. a50 Übel nennt, „von der erfüllt manche vom Glauben abgeirrt sind und sich viele durchdringende Schmerzen bereitet haben“6
4. Der beste Reichtum ist aber die Armut an Begierden 7 und der wahre Stolz, der nicht darin besteht, daß man auf den Reichtum stolz ist, sondern darin, daß man ihn verachtet; dagegen ist es ganz schimpflich, mit seinem Hausrat zu prahlen; denn es ist durchaus nicht richtig, noch großen Wert auf das zu legen, was jeder beliebige auch auf dem Markt kaufen kann; die Weisheit aber ist nicht mit einer irdischen Münze und nicht auf dem Markte zu kaufen, sondern sie wird im Himmel verkauft und wird verkauft gegen eine gerechte Münze, den unvergänglichen Logos, das königliche Gold.
Agg. 1, 6. ↩
Vgl. Sprichw. 11, 24. ↩
Vgl. Paid. II 30, 3. ↩
Vgl. Phil. 3, 8. ↩
Zu diesem Bias, Bion, Diogenes, Demokrit, Demetrios zugeschriebenen Wort vgl. Hense p. 417 zu Stob. Flor. 10, 38.Mein.; Sternbach zu Gnomol. Vatic. 265. Ähnlich oben 38, 5 ὁ πλοῦτος οὐκ ὀρθώς κυβερνώμενος ἀκρόπολίς ἐστι κακίας und Strom. VII 33, 4 μητρόπολις κακίας ἡδονή. Aus Clemens schöpft Theophyl. Sim. Hist. VIII 7 p. 295, 21 f. de Boor. ↩
1 Tim. 6,10. ↩
Vgl. die Äußerung des Sokrates bei Stob. Flor. 17, 31Mein. (p. 497, 9 Hense); Wachsmuth, Studien zu den griech.Flor. S. 214 Anm. 1; Sternbach, Gnomol. Vatic 463; Sacra Par. 189 Holl; Antonius Melissa p. 38 Gesner. ↩
