1.
S. a7 1.1 Indem wir unser Ziel im Auge behalten und die Schriftworte mit Rücksicht auf die unsere S. a8 Lebensführung heilsam beeinflussende Seite der Erziehung auswählen, müssen wir ein das Wichtigste umfassendes Bild davon entwerfen, wie in seinem ganzen Leben der sein muß, der sich Christ nennt. Wir müssen also mit uns selbst beginnen und zeigen, wie wir unser Leben angemessen gestalten sollen.
2. Mit Rücksicht auf das Ebenmaß unserer Schrift müssen wir also davon sprechen, wie sich jeder einzelne von uns zu seinem eigenen Körper verhalten oder vielmehr wie er ihn in die richtige Bahn lenken muß. Denn wenn jemand von den äußeren Dingen und auch von dem leiblichen Leben selbst hinweg auf das geistige Leben hingeführt wurde und durch den Logos die richtige Anschauung über die natürlichen Bedingungen des Menschenlebens 2 genau kennengelernt hat, dann wird er zu der Einsicht gekommen sein, daß er sich nicht um die äußeren Dinge bemühen darf, 3 sondern das, was dem Menschen allein zu eigen ist, das Auge der Seele, 4 reinigen, aber auch sein Fleisch selbst heiligen muß.
3. Denn was könnte dem, der sich völlig von jenem frei gemacht hat, wodurch er noch Staub ist, auf dem Wege zur Erkenntnis Gottes förderlicher sein als sein eigenes Wesen?
4. Die anderen Menschen leben, um zu essen, wie ja auch die unvernünftigen Tiere, für die das Leben nichts anderes ist als ihr Magen; wir aber sollen entsprechend der Mahnung des Erziehers essen, um zu leben. 5 Denn unsere Lebensaufgabe ist nicht die S. a9 Nahrung, und unser Lebensziel ist nicht die Lust; 6 vielmehr wird zum Zweck unseres Verbleibens auf dieser Erde, das der Logos zur Unvergänglichkeit erziehen will, die Nahrung zugelassen.
Clemens ist in den Einzelvorschriften des 2. und 3. Buches des Erziehers zumeist von der griechischen Popularphilosophie abhängig; namentlich berührt er sich häufig mit den Lehren des unter Kaiser Nero lebenden Philosophen Musonius, die uns zum Teil durch Aufzeichnungen seiner Schüler bekannt sind; vgl. C. Musonii Rufi reliquiae, edidit O. Hense, Leipzig 1905; P. Wendland, Quaestiones Musonianae, Berlin 1886; Ders. (u. O. Kern), Beiträge zur Gesch. d. griech. Philos. u. Religion. Berlin 1895, S, 68 ff. Aber die Anklänge des Clemens an Musonius beruhen zumeist auf der Benützung gemeinsamer Quellen; vgl. O. Hense a. a. O. p. V ff. - Gegen den Versuch von Ch. P. Parker, Harvard Studies in Class. Pilol. 12 (1901) S. 191-200, Musonius - Περὶ τροφῆς aus Paid. II 1-17 zu rekonstruieren, vgl. R, Münzet, Beiträge zur Bücherkunde und Philologie, A. Wilmanns gewidmet, Leipzig 1903, S. 296 Anm. 1. ↩
Vgl. Chrys. Fr. mor. 12 v. Arnim, Stoic. vet. fr. III p. 5, 13. ↩
Vgl. Epiktet I 4, 18 ↩
Vgl Platon, Staat VII p. 533 D ↩
Vgl. Paid. II 14, 6; Stom. VHH 87, 2; Muson. rell. p. 102, 4—11 (als Wort des Sokrates angeführt). Andere Belege bei Sternbach, Gnomol. Vatic. 479; A. Otto, Sprichw. d. Römer S. 123. ↩
Vgl. Platon, Phileb. p. 60 A. ↩
