10.
Frage: Was befiehlt also die Schrift dem Menschen zu tun?
Antwort: Wir haben vorher gesagt, der Mensch besitze entsprechend seiner Natur die Willfährigkeit, und diese verlangt Gott. Er befiehlt also, daß er (= der Mensch) zuerst erkenne, dann nach erlangter Erkenntnis liebe und mit dem Willen sich geneigt zeige. Die Einwirkung auf den Geist aber oder das Ertragen der Mühe oder das Vollbringen des Werkes gewährt die Gnade des Herrn dem, der will und glaubt. Der Wille des Menschen ist somit gleichsam ein wesentlicher Umstand S. 291 (Mitfaktor). Denn ist der Wille nicht dabei, so wirkt auch Gott selbst mit Rücksicht auf die Willensfreiheit nichts, obgleich er könnte. Darum liegt es im Willen des Menschen, ob der [Heilige] Geist das Heilswerk [in uns] vollende. Und geben wir unseren Willen ganz ihm hin, so schreibt Gott das ganze Werk uns zu, er, der wunderbar in jeder Hinsicht und völlig unbegreiflich ist. Wir Menschen versuchen nur über einen Teil seiner Wunder uns auszusprechen. Wir stützen uns dabei auf die Schrift, oder vielmehr wir lassen uns von ihr belehren1. Es heißt nämlich: „Wer hat den Sinn des Herrn erkannt?“2. Er sagt jedoch selbst: „Wie oft wollte ich deine Kinder versammeln, aber ihr habt nicht gewollt“3. Deshalb müssen wir glauben, daß er uns versammelt. Von uns verlangt er nur das Wollen. Was aber ist die Willensoffenbarung anders als eine freiwillige Mühe?
