3.
Hab genau acht, wie auch das Gesetz ausdrücklich zur Reinigung des „inneren Menschen“ auffordert. „Du sollst“, heißt es, „den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht eitel nehmen. Denn der Herr wird das Herz dessen nicht rein machen, der seinen Namen eitel nimmt“1. Darum gibt auch der Apostel die deutliche Mahnung: „Lasset uns von aller Befleckung nicht nur des Fleisches, sondern auch des Geistes uns reinigen“2. Und an einer anderen Stelle sagt er: „Das Herz besprengt und frei vom bösen Gewissen“3. Und wiederum: „Euer Leib, euer Geist und eure Seele mögen ganz untadelhaft bewahrt werden“4. Und: „Auf daß ihr untadelige Kinder Gottes seid“5. Darum sollen alle, die der Kindschaft [Gottes] gewürdigt werden wollen, nicht bloß den Leib, sondern auch die Seele unbefleckt bewahren gemäß dem, der spricht: „Möge mein Herz unsträflich in Deinen Satzungen sein, auf daß ich nicht zu Schanden werde“6. Denn die, die unter dem Gesetze stehen und bloß die Fleischessatzungen (= die Vorschriften für den fleischlichen Menschen) beobachten, bewahren nur die äußere Reinheit; die aber, die unter der Gnade stehen, streben auch nach dem inneren Frieden in der Heiligung, da sie dem gehorchen, der gesprochen hat: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener sein wird als die der Pharisäer und Schriftgelehrten, S. 365 so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen“7. Denn verblendet in ihrem Sinne, „waschen“ die Pharisäer „nur das Äußere des Bechers“8. So halten sich auch heutzutage die modernen Pharisäer, die mit ungekünstelter Absicht den „äußeren Menschen“ zieren, für gerecht; allein der Heilige Geist gibt ihrem Geiste nicht Zeugnis, daß sie Kinder Gottes sind, wie der Apostel sagt: „Der Geist selbst gibt unserem Geiste Zeugnis, daß wir Kinder Gottes sind“9. Sie wollen kein Wachstum des „inneren Menschen“ in der Heiligung anerkennen, sondern sie geben sich mit der nur fleischlichen Rechtschaffenheit zufrieden und sehen nicht ein, daß „die vollkommene Herrlichkeit der Königstochter im Innern ist“10. Es ist nämlich, wie es scheint, ein jeder von uns ein geistiger Feigenbaum, an dem der Herr die innere Frucht sucht, nicht aber den Blätterschmuck, der darüber liegt. Wer deshalb den schmachvollen Leidenschaften das Wort redet, als gehörten sie zur Natur und wären nicht erst zu ihr hinzugekommen, der hat die Wahrheit Gottes in Lüge verkehrt, die ausschließlich ihm angehört. Denn, wie gesagt, der Makellose und Reine hat auch sein Bild ihm ähnlich geschaffen, durch den Neid des Teufels aber ist „der Tod in die Welt gekommen“11. Nachdem nun das in „Gottlosigkeit empfangene und in Sünden gezeugte“12 Menschengeschlecht vom Mutterleibe an [Gott] entfremdet war und von Geburt an in die Irre ging, da die Sünde von Adam bis zur Ankunft Christi herrschte13, kam das zur Sühne gewordene „Lamm Gottes“, um „die Sünden der Welt“ durch seine eigene Kraft „hinwegzunehmen“14; zuerst fesselte es den Mächtigen und entriß ihm so die gefangene Beute, wie geschrieben steht: „Du hast Gefangene gemacht“15; S. 366 und wiederum: „Er nahm die Gefangenen hinweg“16. Wir müssen also dafür sorgen, daß wir aus der Gefangenschaft abgerufen werden und „das Bild des Himmlischen tragen, wie wir das Bild des Irdischen getragen haben“17, und „unsere Glieder dem Dienste der Gerechtigkeit und Heiligung hingeben, wie wir sie dem Dienste der Sünde hingegeben haben“18. Wir wollen fest glauben, daß wir, die wir, ohne anzustoßen, „im Lichte wandeln“19, auf die Wundertaten Gottes schauen müssen gemäß dem, der spricht: „Öffne meine Augen und ich werde Deine Wunder aus Deinem Gesetze betrachten“20. Denn wie im Sinnlichen der, welcher im Lichte wandelt, nicht anstößt, so denkt im Geistigen der, welcher in der vollkommenen Heiligung lebt, nichts Böses und sinnt nichts Schlimmes. Denn „nichts hat das Licht mit der Finsternis gemein und der Tempel [Gottes] verträgt sich nicht mit den Götzen“21. Erkenne dich also als einen Tempel Gottes und errichte keine geistigen Götzenbilder in deinem Herzen. Denn jede Leidenschaft, die in der Seele wirkt, ist ein Götzenbild. Darum heißt es so schön: „Von wem jemand überwältigt wird, dessen Sklave ist er auch“22. Sind wir Sklaven der Leidenschaften des Fleisches, so sind wir offenbar nicht Diener des Heiligen, leidenschaftslosen Geistes. Denn „niemand kann zwei Herren dienen; ihr könnt nicht Gott dienen“, heißt es, „und dem Mammon“23. „Denn der Tempel Gottes ist heilig“24, „ohne Makel, ohne Runzel oder etwas dergleichen“25. Deshalb wird der Heilige Geist den Trug fliehen und vor unverständigen Gedanken zurückweichen und in eine arglistige Seele wird keine Zucht einziehen.
Exod. 20, 7; Deut. 5, 11 nach LXX. ↩
2 Kor. 7, 1. ↩
Hebr. 10, 22. ↩
1 Thess. 5, 23. ↩
Phil. 2, 15. ↩
Ps. 118, 80 [hebr. Ps. 119, 80]. ↩
Matth. 5, 20. ↩
Ebd. [Matth.] 23, 25; Luk. 11, 39. ↩
Röm. 8, 16. ↩
Ps. 44, 14 [hebr. Ps. 45, 14]. ↩
Röm. 5, 12. ↩
Vgl. Ps. 50, 7 [hebr. vgl. Ps. 51, 7]. ↩
Vgl. Röm. 5, 15. ↩
Joh. 1, 29. ↩
Ps. 67, 19 [hebr. Ps. 68, 19]. ↩
Eph. 4, 8. ↩
1 Kor. 15, 49. ↩
Röm. 6, 19. ↩
Vgl. 1 Joh. 1, 7. ↩
Ps. 118, 18 [hebr. Ps. 119, 18]. ↩
2 Kor. 6, 14. 16. ↩
2 Petr. 2, 19. ↩
Matth. 6, 24; Luk. 16, 13. ↩
1 Kor. 3, 17. ↩
Eph. 5, 27. ↩
