4.
S. 367 In der Überzeugung also, daß unser ganzes Gesetz „vom Finger Gottes“1 ins Herz geschrieben ist, nicht „mit Tinte, sondern mit göttlichem Geiste“2, wollen wir die Wahrheit des Gesetzgebers annehmen, der spricht: „Ich bin die Wahrheit“3, der auch „die Beschneidung des Herzens“4 wirkt und das Gesetz seiner Liebe in den Sinn der Würdigen schreibt. So spricht er beim Propheten: „Ich will meine Gesetze in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben“5. Darum nehmen sogleich alle, deren Sorgen dahin geht, zum „auserwählten Geschlechte, zum königlichen Priestertume, zum heiligen Volke“6, „zum Volke des Eigentums“7 zu gelangen, bereitwillig die Wirksamkeit des „lebendigmachenden Geistes“8 in sich auf. Darum seid getrost; betet, wir möchten recht bald der Gemeinschaft mit dem einen geraden Leben in Christus gewürdigt werden. Ja, eine solche Seele, welche „die Beschämung ihres Angesichtes“9 abgelegt hat, die nicht mehr von schändlichen Gedanken beherrscht und vom Bösen genotzüchtigt wird, hat offenbar Gemeinschaft mit dem einen himmlischen Bräutigam, wie sie selbst nur eine ist. Denn verwundet von der Liebe zu ihm, stirbt sie, um kühn zu reden, vor Sehnsucht nach der vollen, geistigen, geheimnisvollen Vereinigung mit ihm, nach der ewigen Verbindung und Vermählung in der Heiligung.
Wahrhaft glücklich und selig ist eine solche Seele, die, von der geistigen Liebe überwältigt, Gott dem Logos würdig anverlobt ward. Nun soll sie ausrufen, ja ausrufen soll sie: „Es juble meine Seele im Herrn; denn er hat mich bekleidet mit dem Gewande des Heiles, mich umgeben mit dem Kleide der Wonne, wie einen Bräutigam hat er mich mit der Krone, wie eine Braut mit S. 368 Geschmeide geziert“10. Denn voll Verlangen nach ihrer Schönheit hat „der König der Herrlichkeit“11 sich gewürdigt, sie nicht bloß zu einem Tempel Gottes, sondern auch zu einer Königstochter und Königin zu machen: zu einem Tempel Gottes, da sie vom Heiligen Geiste bewohnt ist, zu einer Königstochter, da sie „vom Vater der Lichter“12 als Kind angenommen ward, zu einer Königin, da sie mit der göttlichen „Herrlichkeit des Eingeborenen“13 verbunden ward.
Exod. 31, 18; Deut. 9, 10. ↩
Vgl. 2 Kor. 3, 3. ↩
Joh. 14, 6. ↩
Röm. 2, 29. ↩
Jer. 31, 33; 38, 33 nach LXX; Hebr. 10, 16. ↩
1 Petr. 2, 9. ↩
Tit. 2, 14; vgl. Exod. 19, 5; Deut. 7, 6; 14, 2; 26, 18. ↩
1 Kor. 15, 45; vgl. 2 Kor. 3, 6. ↩
Ps. 43, 16 [hebr. Ps. 44, 16]; Dan. 9, 7 f.; Bar. 1, 15; 2, 6. ↩
Is. 61, 10. ↩
Ps. 23, 7―10 [hebr. Ps. 24, 7―10]. ↩
Jak. 1, 17. ↩
Vgl. Joh. 1, 14. ↩
