Cap. XIV.
Indessen haben auch die Wittwen keinen Befehl, sondern nur einen Rath erhalten, der nicht einmal, sondern so oft wiederholt ist. Es sagt der Apostel zuerst: „Es ist dem Menschen gut, kein Weib zu berühren;“ dann „Ich wünschte, daß alle Menschen wären, wie ich selber;“ darauf: „Es ist den Wittwen gut, wenn sie so bleiben, wie auch ich,“ und endlich: „Es ist gut um der obwaltenden Noth willen.“ Daß aber das Verharren im Wittwenstande seliger sei, das lehrt er nicht als eigenen Rath, sondern als Eingebung des heiligen Geistes. Wo ist nun Jene, welche die Milde eines solchen Führers verschmäht, der dem Willen die Zügel nachläßt und Anderen nur das anräth, was er auf Grund eigener Erfahrung für nützlich erkennt, der so leicht zu verstehen, dem man ohne Ueberdruß folgen kann?! Wo ist Jene, die es verschmähte, heilig zu werden an Leib und Seele, da doch weit über die Mühe der Lohn erhaben ist, da die Gnade das Bedürfniß überschreitet?
Alles dieses sage ich nun keineswegs, um Anderen Fesseln anzulegen, sondern um als treuer Hüter des mir anvertrauten Landes diesen Theil der Kirche in seiner Fruchtbarkeit erblicken zu können, wie er jetzt duftet von der Blüthe jungfräulicher Reinigkeit, jetzt strahlt in dem hohen Ernste der Wittwen, und wiederum wie er reich ist an den Sprossen christlicher Ehen. Unter sich verschieden sind das alles doch Früchte Eines Ackers; es gibt nicht so viele Lilien der Gärten, als Kornähren auf den Saatfeldern und es werden auch weitmehr Aecker zur Aufnahme der Saat bestimmt, als nach gelieferter Ernte brach liegen.
Gut ist also das Wittwenthum, das so oft durch apostolisches Urtheil gepriesen wird; es ist Lehrerin gläubigen Vertrauens wie wahrer Keuschheit. Deßhalb haben denn auch Jene, welche die Nichtswürdigkeiten ihrer Götter S. 137 verehren, gegen Unvermählte und Wittwen Strafen festgesetzt.1 So verfolgten also die Partheigänger des Lasters gesetzlich das Streben nach Tugend; unter dem Vorgeben allerdings, als müßten sie für die Vermehrung der Bevölkerung sorgen, in Wirklichkeit aber geleitet von dem Bestreben, die Keuschheit ferne zu halten. — Und doch legt auch der Krieger nach Ablauf der ausbedungenen Feldzugsfrist die Waffen nieder und kehrt aus seinen seitherigen Verhältnissen entlassen als Veteran zu dem eigenen Anwesen zurück; er genießt auf diese Weise nach den Mühen eines angestrengten Lebens einer wohlverdienten Ruhe und macht gleichzeitig Andere durch die Aussicht auf solchen Lohn bereitwilliger, die Beschwerden des Kriegsdienstes zu übernehmen. — Auch der Landmann überläßt in höherem Alter Anderen die Führung des Pfluges und widmet sich, körperlich matt von den Arbeiten der Jugend, einer ruhigen Sorge des Alters. Den Weinstock zu schneiden ist er wohl noch im Stande, den S. 138 Wein zu pressen vermag er nicht mehr. So drängt er die keimende Ueppigkeit zurück, während er die schon aufschießende Ueberfülle mit dem Messer abschneidet, und er lehrt so, daß selbst beim Weinstock eine bestimmte Beschränkung und Ertödtung stattfinden muß.
In gleicher Weise legt die Wittwe, gleichsam eine Veteranin nach beendigter Dienstzeit, die Waffen nieder, die sie während des Ehestandes geführt hat;2 aber sie schirmt nun den Frieden des ganzen Hauses. Selbst der vielen Lasten ledig, sorgt sie für die Jüngeren, die der Vermählung entgegensehen; mit dem vorsichtigen Ernste des Greisenalters bestimmt sie, wo sichere Aussicht auf die Zukunft die Vermählung und Gründung einer Familie rathsamer erscheinen läßt. Wenn übrigens den Erfahrenern und Aelteren das Anwesen eher übertragen wird, warum glaubst du denn, dich als Gattin zum zweitenmale vermählt nützlicher machen zu können, denn als Wittwe? Wenn die Heiden als Verfolger des Glaubens auch den Wittwen sich feindlich gesinnt erwiesen, so soll man doch wahrlich den Wittwenstand nicht als eine Strafe fliehen, sondern als eine Belohnung annehmen, wenn man anders die Wege des Glaubens wandelt.
Ambrosius meint hier wohl die Bestimmungen der lex Julia de maritandis ordinibus, in der neueren Redaction des Jahres 762 u. c. 9 n. Chr. genannt lex Julia et Papia Poppaea. Der Grund für den Erlaß des Gesetzes ist sicher nicht zu suchen in einer feindseligen Gesinnung gegen die Tugend der Keuschheit, die in Rom nicht so in Blüthe stand, daß sie durch Strafmandate hätte müßen zurückgedrängt werden. Im Gegentheil gab die wegen steigender Unsittlichkeit immer mehr um sich greifende Ehelosigkeit, welche lediglich die Mühen des Ehestandes und der Kindererziehung scheute, Veranlassung zu dem Gesetze. Gerade bei dem leichtfertigsten Theile der römischen Bevölkerung stieß das Gesetz auf heftigen Widerstand, und Augustus mußte auf das Drängen der Ritter wiederholt Fristen für die volle Einführung des Gesetzes gewähren. — Es entsprach übrigens dem ganzen Wesen der römischen Staatsanschauung, daß von Staatswegen darauf gesehen wurde, daß die Bürger heiratheten und Kinder zeugten, weil eben der persönliche Wille sich ganz dem allgemeinen Staatszweck unterordnen mußte. Von diesem Gesichtspunkte aus läßt auch Plato in seinem Musterstaat den Ehezwang bestehen. Das spartanische Gesetz gestattete wegen Ehelosigkeit eine δίκη ἀγαμίου [dikē agamiou] und wegen spät oder nicht in geeigneter Weise geschlossener Ehe eine δίκη ὀψιγαμίου [dikē opsigamiou] und κακογαμίου [kakogamiou]. ↩
Wie weit dieser Vergleich für die Frauen annehmbar erscheinen möchte, steht dahin; der Sinn ist besser, als der Ausdruck. ↩
