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Geliebteste! Welch geeigneteren Ausgangspunkt könnte ich für meine Predigt über das hochheilige und so wichtige Fasten wählen als die Worte des Apostels, durch dessen Mund Christus selber sprach, als die Worte, die vor euch verlesen wurden: „Sehet, jetzt ist S. 206die gnadenreiche Zeit, sehet, jetzt sind die Tage des Heils!“1 . Stets bedenkt uns Gott mit seinen reichsten Gaben, und immer finden wir durch seine Gnade Gelegenheit, zu seiner Barmherzigkeit unsere Zuflucht zu nehmen. Jetzt aber müssen sich alle von noch größerem Eifer für ihre geistige Vervollkommnung leiten lassen, muß ein noch stärkeres Vertrauen ihre Herzen beseelen. Legt und doch die Wiederkehr unseres Erlösungstages die Übung aller frommen Werke ans Herz, damit wir das Geheimnis des Leidens unseres Herrn, das alle anderen überragt, mit reinem Leibe und mit reiner Seele feiern. Freilich sollten wir jenen so wunderbaren Vorgängen2 eine solch ununterbrochene Hingabe, eine solch beständige Verehrung entgegenbringen, daß wir vor den Augen Gottes i m m e r so dastünden, wie wir geziemenderweise am Osterfeste erscheinen müssen. Weil aber eine derartige Festigkeit3 nur wenigen eigen ist, weil selbst jener, der seine religiösen Pflichten strenger erfüllt, unter der Hinfälligkeit des Fleisches erlahmt und sich endlich die Sorge unseres Erdenlebens auf verschiedene Gebiete erstreckt, so kann sich auch das Herz des Frommen vom Schmutze dieser Welt nicht frei erhalten. Darum sollten uns nach einer gar heilsamen Bestimmung der göttlichen Vorsehung vierzigtägige Exerzitien dazu verhelfen, die Reinheit der Seele wieder zu gewinnen, um die zu anderen Zeiten begangenen Sünden nunmehr durch fromme Werke zu tilgen und durch ein züchtiges Fasten auszumerzen.
