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Geliebteste! Auf vielfache Art bemühten sich die gottlosen Juden, einen Grund ausfindig zu machen, um ihre verruchte Tat gegen den Herrn Jesus vollbringen zu können. Nun hatten aber auch die Lügen, welche falsche, im Dienste der ungerechten Hohenpriester stehende Zeugen vorgebracht hatten, nichts Todeswürdiges ergeben1 . Da glaubten die Juden endlich etwas gefunden zu haben, was sozusagen sicher zum Ziele führen müßte. In ihrem Neide beschuldigten sie nämlich den Herrn der Welt, er strebe nach der Königsherrschaft. Darum brachten sie, als Pilatus den Herrn Jesus, den er grundlos beschuldigt sah, freisprechen wollte, in den verleumderischen Drohruf aus: „Wenn du diesen freigibst, so bist du kein Freund des Kaisers; denn jeder, der sich zum König macht, widersetzt sich dem Kaiser“2 . Töricht war es, Pilatus, wegen dieser unsinnigen Beschuldigung in Furcht zu geraten. Hätte doch in jenem Hinweis auf die Aneignung der Königsgewalt nur dann ein Grund zu ernster Besorgnis gelegen, so daß du zum Schutze der kaiserlichen Macht die Einsetzung eines neuen Herrschers verhindern mußtest, wenn dir Gewaltmaßregeln und Rüstungen die Absicht Jesu, sich zum Könige zu machen. kundgetan hätten, wenn aufgedeckt worden wäre, daß man Waffen beschafft, S. 319reiche Geldmittel sammelt und Truppen zur Besetzung bereit hält. Warum läßt du den beschuldigen, nach Macht gestrebt zu haben, dessen Lehre besonders die Demut predigte? Setzte er sich doch nicht in Widerspruch zu den römischen Gesetzen: Er unterwarf sich dem Zensus3 , zahlte die Doppeldrachme4 und erklärte sich nicht gegen Steuern und Abgaben5 . Er belehrte uns, daß man Gott geben solle, was Gottes, und dem Kaiser, was des Kaisers ist. Er erkor sich die Armut, empfahl uns Gehorsam und legte uns Friedensliebe ans Herz. Das heißt doch wahrhaftig nicht, den Kaiser bekämpfen, sondern vielmehr ihn stützen!
