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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
10. Über die einfache und unveränderliche Dreifaltigkeit Gottes des Vaters und Gottes des Sohnes und Gottes des Heiligen Geistes, des einigen Gottes, bei dem Eigenschaft und Wesen ein und dasselbe ist.
Es gibt also ein Gut, das allein einfach1 und darum allein unveränderlich ist, und das ist Gott. Was von Band 16, S. 600diesem Gut geschaffen ist, ist alles gut, aber nicht einfach und darum veränderlich. Ich sage, was von ihm geschaffen, d. h. gemacht ist, nicht, was von ihm gezeugt ist. Denn was von diesem einfachen Gut gezeugt ist, ist gleichermaßen einfach und ist dasselbe, was der Erzeugende ist. Diese beiden heißen wir Vater und Sohn. Und beide sind mit ihrem Geiste der eine Gott. Dieser Geist des Vaters und des Sohnes wird in der Heiligen Schrift „der Heilige Geist“ in einer besonderen Bedeutung dieses Wortes genannt. Er ist ein anderer als der Vater und der Sohn, denn er ist weder Vater noch Sohn; aber man beachte: „ein anderer“, nicht „ein anderes“, denn auch er ist gleichermaßen ein einfaches und gleichermaßen ein unveränderliches und gleichewiges Gut. Und diese Dreiheit ist der eine Gott, der dadurch, daß er eine Dreiheit ist, nicht aufhört einfach zu sein. Wir bezeichnen ja diese Natur des [höchsten]Gutes nicht deshalb als einfach, weil an ihr nur der Vater teil hätte oder nur der Sohn oder nur der Heilige Geist, noch auch ist diese Dreiheit nur dem Namen nach eine solche ohne Wesensgrundlage in den Personen, wie die Sabellianischen Häretiker annahmen2, sondern einfach heißt sie, weil sie das ist, was sie hat, ausgenommen das, als was jede Person in Beziehung auf die andere bezeichnet wird. Denn gewiß, der Vater hat einen Sohn, aber er ist nicht der Sohn, und der Sohn hat einen Vater, aber er ist nicht der Vater. Insofern also vom Vater in eigener Beziehung die Rede ist, nicht in Beziehung auf einen der beiden anderen, ist er das, was er hat. So nennt man ihn zum Beispiel in eigener Beziehung den Lebendigen, sofern er das Leben hat, und er selbst ist dieses Leben.
Demnach also bezeichnet man als einfach ein Wesen, dem es nicht eigen ist, etwas zu haben, was es verlieren könnte, oder bei dem der Inhaber nicht etwas anderes ist als der Gegenstand der Inhabung, wie das Gefäß etwas anderes ist als die Flüssigkeit darin, der Körper etwas anderes als seine Farbe, die Luft etwas Band 16, S. 601anderes als Licht oder Wärme in ihr, die Seele etwas anderes als die ihr innewohnende Weisheit. Nichts von all dem ist das, was es hat; das Gefäß ist nicht die Flüssigkeit, der Körper nicht die Farbe, die Luft nicht das Licht oder die Wärme, die Seele nicht die Weisheit. Darum können diese Dinge auch dessen verlustig gehen, was sie haben, und können in andere Zustände oder Beschaffenheiten übergehen und sich verändern; ein Gefäß kann seines Inhaltes entleert werden, ein Körper seine Farbe verlieren, die Luft finster und kalt werden, die Seele um ihre Weisheit kommen. Und selbst ein unverweslicher Leib, wie er den Heiligen in der Auferstehung verheißen ist, mag er auch die Eigenschaft der Unverweslichkeit als eine unverlierbare besitzen, ist doch nicht die Unverweslichkeit selbst, da die leibliche Wesenheit fortbesteht. Wie denn die Unverweslichkeit in allen Teilen des Leibes, da kein Teil unverweslicher ist als der andere, ganz vorhanden und nicht hier größer, dort geringer ist, während dagegen der Leib seinerseits in seiner Gesamtheit größer ist als in einem Teile. Allein wenn vom Leibe ein Teil umfangreicher ist, ein anderer kleiner, so ist der umfangreichere nicht unverweslicher als der kleinere. Also ist der Leib, der nicht in jedem seiner Teile ganz vorhanden ist, etwas anderes als die Unverweslichkeit, die in jedem seiner Teile ganz vorhanden ist, da jeder Teil eines unverweslichen Leibes bei aller Ungleichheit gegenüber den übrigen Teilen gleichmäßig unverweslich ist. Ein Finger zum Beispiel, obwohl kleiner als die ganze Hand, ist doch nicht weniger unverweslich als die Hand. Während also Hand und Finger ungleich sind, ist doch die Unverweslichkeit beider die gleiche. Und demnach ist zwar die Unverweslichkeit untrennbar vom unverweslichen Leibe, aber sein Wesen, kraft dessen er Leib genannt wird, ist nicht das gleiche wie jene seine Eigenschaft, kraft deren er als unverweslich bezeichnet wird. Und so ist er trotz der Unverlierbarkeit seines Besitzes doch nicht das, was er besitzt. Auch die Seele, und zwar auch, wenn sie auf immer weise ist, wie sie es sein wird, wenn sie, befreit werden wird auf Ewigkeit, wird doch weise sein durch Teilnahme an der unwandelbaren Weisheit, die Band 16, S. 602nicht das ist, was sie ist. Gerade so wie die Luft, angenommen, sie würde von dem sie durchflutenden Licht nie mehr verlassen, doch etwas anderes ist als das Licht, das sie erleuchtet. Diesen Vergleich gebrauche ich natürlich nicht in dem Sinn, als wäre die Seele ein Luftkörper, wie man auf Seiten derer angenommen hat, die sich ein unkörperliches Wesen nicht vorstellen konnten3. Aber immerhin besteht zwischen Luft und Seele bei aller Verschiedenheit eine Ähnlichkeit des Verhaltens, so daß man recht wohl sagen kann, die unkörperliche Seele werde von dem unkörperlichen Lichte der einfachen Weisheit Gottes so erleuchtet, wie die Luftkörper durch körperhaftes Licht, und wie sich die Luft in Finsternis hüllt, wenn dieses Licht von ihr weicht (nichts anderes ja als Luft ohne Licht ist das, was wir als Finsternis bezeichnen bei jeder Art von körperhaft ausgedehnten Räumen), so komme auch über die Seele Finsternis, wenn ihr das Licht der Weisheit benommen ist.
Einfach nennen wir also das ursprünglich und wahrhaft Göttliche insofern, als in ihm Wesen und Eigenschaft nicht auseinanderfallen und es seine Göttlichkeit, Glückseligkeit, Weisheit nicht aus anderer Quelle schöpft. Im übrigen wird in der Heiligen Schrift der Geist der Weisheit als vielfach bezeichnet, und zwar deshalb, weil er vieles in sich schließt; dabei jedoch ist er das, was er hat, und all das ist der eine Geist der Weisheit. Denn er zerfällt nicht in viele Weisheiten, sondern ist die eine Weisheit, in der sich unbegrenzte und doch wieder begrenzte Schätze der nur dem geistigen Schauen erkennbaren Dinge [der Ideen im Sinne der platonischen Philosophie; vgl. Augustins Begriffsbestimmung der platonischen Ideen in der Schrift De diversis quaestionibus 46, 2: „Die Ideen sind sozusagen ursprüngliche Formen oder feststehende und unwandelbare Urgründe4 befinden, darunter Band 16, S. 603alle unsichtbaren und unwandelbaren Urgründe der Dinge, auch der sichtbaren und wandelbaren, die durch die Weisheit erschaffen worden sind. Denn wir können doch nicht annehmen, daß Gott etwas erschaffen habe, ohne um das Ding zu wissen; das kann man ja nicht einmal von einem beliebigen menschlichen Werkmeister sagen; hat er aber wissend alles gemacht, so heißt das soviel als er hat gemacht, was er kannte. So bietet sich denn eine seltsame, aber doch richtige Zuspitzung der Gedanken dar, nämlich: Bestünde die Welt nicht, so könnte sie uns nicht bekannt sein; wäre sie Gott nicht bekannt, so könnte sie nicht bestehen5.
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d. i. nicht zusammengesetzt. Die folgenden Ausführungen sind die „trinitarische Hauptstelle“ der Civitas. Vgl. auch unten XI 24. ↩
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Vgl. oben X 24, erster Absatz. ↩
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d. i. der Epikureer ↩
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Urbilder], die selbst nicht geformt worden sind, demnach von Ewigkeit her bestehende und stets sich gleich bleibende Urbilder, die in der göttlichen Erkenntnis enthalten sind. Und während sie selbst nicht entstehen und nicht vergehen, so wird doch nach ihnen gebildet alles, was entstehen und vergehen kann (die „unbegrenzten Schätze“), und alles, was [wirklich]entsteht und vorgeht (die „begrenzten Schätze“). Die Seele vermag sie nur zu schauen mit ihrer übersinnlichen Kraft, gleichsam mit ihrem inneren und rein geistigen Auge“. ↩
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„Unser Wissen wird durch die Dinge verursacht; das Wissen Gottes ist die Ursache der Dinge“, bemerkt hierzu der frühere Übersetzer Uhl. ↩
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput X: De simplici et incommutabili trinitate dei patris et dei filii et dei spiritus sancti, unius dei, cui non est aliud qualitas aliudque substantia.
Est itaque bonum solum simplex et ob hoc solum incommutabile, quod est deus. ab hoc bono creata sunt omnia bona, sed non simplicia et ob hoc mutabilia. creata sane, inquam, id est facta, non genita. quod enim de simplici bono genitum est, pariter simplex est et hoc est quod illud de quo genitum est; quae duo patrem et filium dicimus; et utrumque hoc cum spiritu suo unus deus est; qui spiritus patris et filii spiritus sanctus propria quadam notione huius nominis in sacris litteris nuncupatur. alius est autem quam pater et filius, quia nec pater est nec filius; sed alius. dixi, non .aliud, quia et hoc pariter simplex pariterque incommutabile bonum est et coaeternum. et haec trinitas unus est deus; nec ideo non simplex, quia trinitas. neque enim propter hoc naturam istam boni simplicem dicimus, quia pater in ea solus aut solus filius aut solus spiritus sanctus, aut uero sola est ista nominis trinitas sine subsistentia personarum, sicut Sabelliani haeretici putauerunt; sed ideo simplex dicitur, quoniam quod habet hoc est, excepto quod relatiue quaeque persona ad alteram dicitur. nam utique pater habet filium, nec tamen ipse est filius et filius habet patrem, nec tamen ipse est pater. in quo ergo ad se met ipsum dicitur, non ad alterum, hoc est quod habet; sicut ad se ipsum dicitur uiuus habendo utique uitam, et eadem uita ipse est. propter hoc utique natura dicitur simplex, cui non sit aliquid habere, quod uel possit amittere; uel aliud sit habens, aliud quod habet; sicut uas aliquem liquorem aut corpus colorem aut aer lucem siue feruorem aut anima sapientiam. nihil enim horum est id quod habet; nam neque uas liquor est, nec corpus color, nec aer lux siue feruor, neque anima sapientia est. hinc est quod etiam priuari possunt rebus quas habent, et in alios habitus uel qualitates uerti atque mutari, ut et uas euacuetur umore quo plenum est, et corpus decoloretur et aer tenebrescat siue frigescat et anima desipiat. sed etsi sit corpus incorruptibile, quale sanctis in resurrectione promittitur, habet quidem ipsius incorruptionis inamissibilem qualitatem, sed manente substantia corporali non hoc est, quod ipsa incorruptio. nam illa etiam per singulas partes corporis tota est nec alibi maior, alibi minor; neque enim ulla pars est incorruptior quam altera; corpus uero ipsum maius est in toto quam in parte; et cum aliqua pars est in eo amplior, alia minor, non ea quae amplior est incorruptior quam ea quae minor. aliud est itaque corpus, quod non ubique sui totum est, alia incorruptio, quae ubique eius tota est, quia omnis pars incorruptibilis corporis etiam ceteris inaequalis aequaliter incorrupta est. neque enim uerbi gratia, quia digitus minor est quam tota manus, ideo incorruptibilior manus quam digitus. ita cum sint inaequales manus et digitus, aequalis est tamen incorruptibilitas manus et digiti. ac per hoc quamuis a corpore incorruptibili inseparabilis incorruptibilitas sit, aliud est tamen substantia, qua corpus dicitur, aliud qualitas eius, qua incorruptibile nuncupatur. et ideo etiam sic non hoc est quod habet. anima quoque ipsa, etiamsi semper sit sapiens, sicut erit cum liberabitur in aeternum, participatione tamen incommutabilis sapientiae sapiens erit, quae non est quod ipsa. neque enim si aer infusa luce numquam deseratur, ideo non aliud est ipse, aliud lux qua inluminatur. neque hoc ita dixerim, quasi aer sit anima, quod putauerunt quidam qui non potuerunt incorpoream cogitare naturam. sed habent haec ad illa etiam in magna disparilitate quandam similitudinem, ut non inconuenienter dicatur sic inluminari animam incorpoream luce incorporea simplicis sapientiae dei, sicut inluminatur aeris corpus luce corporea; et sicut aer tenebrescit ista luce desertus - nam nihil sunt aliud quae dicuntur locorum quorumcumque corporalium tenebrae quam aer carens luce - , ita tenebrescere animam sapientiae luce priuatam. secundum hoc ergo dicuntur illa simplicia, quae principaliter uereque diuina sunt, quod non aliud est in eis qualitas, aliud substantia, nec aliorum participatione uel diuina uel sapientia uel beata sunt. ceterum dictus est in scripturis sanctis spiritus sapientiae multiplex, eo quod multa in sese habeat; sed quae habet, haec et est, et ea omnia unus est. neque enim multae, sed una sapientia est, in qua sunt infiniti quidam eique finiti thensauri rerum intellegibilium, in quibus sunt omnes inuisibiles atque incommutabiles rationes rerum etiam uisibilium et mutabilium, quae per ipsam factae sunt. quoniam deus non aliquid nesciens fecit, quod nec de quolibet homine artifice recte dici potest; porro si sciens fecit omnia, ea utique fecit quae nouerat. ex quo occurrit animo quiddam mirum, sed tamen uerum, quod iste mundus nobis notus esse non posset, nisi esset; deo autem nisi notus esset, esse non posset.