3. Er kennzeichnet den verpestenden Irrthum der Pelagianer.
Jenes Eine meinen wir wahrhaftig nicht übergehen zu S. 441 sollen, wie es etwas Besonderes und Eigenthümliches an der obengenannten aus dem Irrthume des Pelagius hervorgegangenen Häresie1 war, daß sie bei ihrer Lehre, der bloße Mensch Jesus Christus habe ohne jede Sündenbefleckung gelebt, soweit gingen, zu behaupten, die Menschen könnten, wenn sie wollten, ohne Sünden sein. Denn sie dachten folgerichtig, es könnten, wenn der bloße Mensch Jesus Christus ohne Sünde gewesen sei, auch alle Menschen ohne Hilfe Gottes Das sein, was jener bloße Mensch ohne Gemeinschaft mit Gott hatte sein können. Und so würden sie also keinen Unterschied sein lassen zwischen den übrigen Menschen und unserm Herrn Jesus Christus, da jeder Mensch in allweg durch seine Anstrengung und seinen Fleiß Das verdienen könnte, was Christus durch seine Mühe und Arbeit verdient hatte. Dadurch geschah es, daß sie in einen noch größern und ungeheuerlichern Wahnsinn stürzten und behaupteten, unser Herr Jesus Christus sei nicht in diese Welt gekommen, um dem Menschengeschlechte die Erlösung zu verschaffen, sondern um Beispiele guter Handlungen zu geben, damit nemlich jene Menschen, welche seiner Anleitung folgten, dadurch, daß sie denselben Weg der Tugend wandelten, auch zu demselben Lohne der Tugend gelangen möchten. So viel an ihnen lag, erklärten sie für eitel jede Gabe der heiligen Ankunft und jede Gnade der göttlichen Erlösung, da sie behaupteten, daß die Menschen durch ihr Leben Dasselbe erreichen könnten, was Gott durch seinen Tod für das Heil der Welt geleistet hätte. Sie fügen noch bei, daß unser Herr und Erlöser nach der Taufe Christus geworden sei, nach der Auferstehung Gott, und schreiben das Eine dem Geheimnisse der Salbung zu, das Andere dem Verdienste des Leidens. Deßhalb merkt auch der neue Urheber einer nicht neuen Häresie, der da behauptet, unser Herr und Erlöser sei als bloßer S. 442 Mensch geboren worden, daß er ganz Dasselbe sage, was die Pelagianisten früher gesagt hatten, und wie es also seinem Irrthume entspreche, daß Derjenige, welcher durchweg behauptet, der bloße Mensch Christus Jesus habe ohne Sünde gelebt, auch die Gotteslästerung ausspreche, alle Menschen könnten durch sich selbst ohne Sünde sein; und daß nach seinem Beispiele die Andern sagen, die Erlösung des Herrn sei nicht nöthig gewesen, da, wie sie behaupten, die Menschen durch ihre bloße eigene Anstrengung auch zum himmlischen Reiche gelangen können. Das unterliegt keinem Zweifel, sondern steht durch die Thatsache selbst klar zu Tage. Denn daher kommt es, daß er durch seine Fürsprache2 die Klage der Pelagianisten hätschelt, durch seine Schriften die Sache derselben bekräftigt, daß er ihnen fein oder, um mich besser auszudrücken, hinterlistig hilft und der ihm blutsverwandten Gottlosigkeit mit gottloser Liebe beispringt, da er wohl weiß, daß er denselben Sinn und Geist hat, und also es schmerzlich empfindet, wenn die ihm verwandte Häresie von der Kirche getrennt ist, während er dieselbe in allweg mit ihm durch Verkehrtheit verbunden weiß.
