5. Er bestätigt nach dem Beispiele des Leporius, daß eine öffentliche Sünde durch ein öffentliches Bekenntniß getilgt werden müsse, und zeigt zugleich aus dessen Darstellung, wie man von der Menschwerdung des Wortes denken müsse.
Aus seinem Bekenntnisse oder vielmehr aus seiner thränenvollen Klage haben wir geglaubt, Einiges einreihen zu sollen, aus dem doppelten Grunde: daß die Besserung Jener sowohl uns zum Zeugniß als auch Denen, welche wanken, zum Beispiele sei, und daß keine Scham sie abhalte, die Besserung Derjenigen nachzuahmen, deren Irrthum zu folgen sie sich nicht schämten. Mögen sie so, wie sie an gleicher Krankheit litten, auch durch das gleiche Mittel geheilt werden. Nachdem also Jener die Verkehrtheit seiner Meinung erkannt und das Licht des Glaubens gesehen hatte, begann er in seinem Schreiben an die gallischen Bischöfe so: „Was ich, o meine verehrungswürdigen Herren und gottseligsten Priester, bei mir zuerst anklagen S. 444 soll, weiß ich nicht, und was ich an mir zuerst entschuldigen soll, finde ich nicht. So hat Unerfahrenheit und Hochmuth, so thörichte Einfalt und schädliche Sicherheit, Eifer ohne Mäßigung, so hat, um mich wahrer auszudrücken, ein schwacher Glaube, der sich selbst verminderte, ja so hat all Das, was ich zugleich in mich aufnahm, in mir gelebt, daß es ebenso Verwirrung war, so Vielem und Mächtigem zugleich zu gehorchen, als es für mich ein wunderbares Glück ist, daß Solches aus dem Gemüthe wieder weichen konnte.“ Bald nach Diesem fügt er bei: „Wenn wir also diese Macht Gottes durchaus nicht erfassen, und wenn wir, gleich als scheine sonst Gott auf zu Niedriges einzuwirken, nach der Weisheit unseres Sinnes und Verstandes den Menschen so mit Gott geboren sein lassen, daß wir getrennt Das, was Gottes ist, nur Gott zuschreiben und Das, was dem Menschen gehört, nur diesem zurechnen, so führen wir offenbar in der Trinität eine vierte Person ein und beginnen, aus dem einen Gott-Sohn nicht einen, sondern zwei Christus zu machen, was Christus selbst, unser Herr und Gott, fern von uns halten möge. So bekennen wir also, daß unser Herr und Gott Christus Jesus, der einzige Sohn Gottes, der für sich geboren wurde vor der Zeit aus dem Vater, für uns in der Zeit vom hl. Geiste aus Maria der immerwährenden Jungfrau Mensch geworden und als Gott geboren sei. Indem wir so beide Naturen, die des Fleisches und des Wortes bekennen, nehmen wir immer mit frommer Glaubenstreue einen und denselben unzertrennlichen Gott und Menschen an und sagen, daß von der Zeit der Menschwerdung an Alles, was dem Gotte eigenthümlich war, so auf den Menschen übergegangen sei, daß Alles, was zum Menschen gehörte, auf Gott kam. Es ist also das Wort Fleisch geworden nicht in dem Sinne, daß es durch irgend eine Veränderung oder Wandelbarkeit angefangen hätte zu sein, was es nicht war, sondern daß durch die Kraft der göttlichen Anordnung das Wort des Vaters, ohne ihn je zu verlassen, sich würdigte, wahrhaft Mensch zu werden, und S. 445 der Eingeborene Fleisch wurde nach jenem verborgenen Geheimnisse, das nur er kennt; denn uns gehört das Glauben, ihm das Wissen. Und so ist nun Gott, das Wort, indem es Alles annahm, was des Menschen ist, Mensch, und der angenommene Mensch kann, da er alles erhielt, was Gottes ist, nichts Anderes sein als Gott. Aber deßhalb, weil er fleischgeworden und vermischt1 genannt wird, darf man keine Verringerung seines Wesens annehmen; denn Gott weiß, ohne Abbruch zu leiden, sich zu vermischen und dennoch in Wahrheit vermischt zu werden; er weiß, Etwas so anzunehmen, daß ihm dadurch keine Vermehrung zuwächst, wie er auch sich selbst ganz so einzugießen weiß, daß kein Verlust eintritt. Wir wollen also nicht nach unserm schwachen Verstande den sichtbaren Erfahrungsbeweisen gemäß unsern Schluß machen, wie über gleiche, sich gegenseitig vereinigende Geschöpfe, und nicht glauben, daß Gott und Mensch so verbunden wären und durch einen solchen Zusammenguß des Fleisches und Wortes irgend ein Körper geworden seien. Ferne sei von uns ein solcher Glaube, daß wir meinen, die zwei Naturen seien durch eine Art Verschmelzung zu einer Wesenheit geworden; denn eine solche Vermischung wäre ein Abbruch für beide Theile. Denn Gott, der erfassend, aber nicht umfaßbar ist, durchdringend, aber nicht durchdringlich, erfüllend, nicht erfüllbar, der überall zugleich ganz ist und überallhin verbreitet, hat sich in seiner Macht durch Eingießung barmherzig mit der menschlichen Natur vermischt.“ Etwas später heißt es: „Es wird also recht eigentlich für uns aus dem hl. Geiste und Maria der immerwährenden Jungfrau geboren der Gottmensch Christus Jesus, der Sohn Gottes. Und so S. 446 werde Wort und Fleisch gegenseitig Eins, daß sie, während jede Substanz in ihrer natürlichen Vollkommenheit bleibt, ohne Nachtheil für sich der Menschheit das Göttliche mittheilen und der Gottheit das Menschliche. Nicht ist also der Eine Gott, und ein Anderer der Mensch, sondern Ebenderselbe ist Gott, der auch Mensch ist; und andererseits ist derjenige Mensch, der auch Gott genannt wird und wirklich ist, Jesus Christus der einzige Sohn Gottes. Deßhalb müssen wir voll Glauben immer darauf sehen, daß wir nicht läugnen, unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, der wahre Gott, der nach unserm Bekenntniß immer mit dem Vater und dem Vater gleich war vor aller Zeit, sei von dem Augenblicke der Fleischannahme an Gottmensch geworden. Auch dürfen wir nicht glauben, daß er wie durch Stufen und Zeitabschnitte zum Gotte geworden sei und einen andern Stand vor der Auferstehung gehabt habe, einen andern nachher, sondern immer dieselbe Fülle und Kraft.“ Ebenso heißt es bald darauf: „Aber weil das göttliche Wort durch gnädige Annahme der Menschennatur zum Menschen herabstieg und durch die Aufnahme Gottes der Mensch zum Worte emporstieg, so ist der ganze Gott-Wort ein ganzer Mensch geworden. Nicht Gott Vater nemlich ist Mensch geworden und nicht der hl. Geist, sondern der Eingeborene des Vaters und deßhalb ist eine Person des Fleisches und Wortes anzunehmen, so daß wir treu ohne jeden Zweifel glauben, ein- und derselbe Sohn Gottes, immer untheilbar, der auch in den Tagen seines Fleisches „der Riese von zwei Naturen“ genannt wurde,2 habe wahrhaft immer Alles gethan, was zum Menschen gehört, und wahrhaft immer besessen, was Gottes ist. So wurde er auch gekreuzigt gemäß seiner Schwäche und lebt durch die Kraft Gottes.“
Dieses Wort „vermischt“ wird von den hl. Schriftstellern für die Einheit der Naturen in Christus oft gebraucht, so gefährlich es ist. Da aber auch hier, wie bei den Andern, die sicherstellende Deutung gleich folgt, so haben wir das „misceri“ etc. wörtlich übersetzt. ↩
Anspielung auf Psalm 18, 7 und einen alten Hymnus der Kirche (de Nativitate): Geminae gigas substantiae, alacris ut currat viam. ↩
