5.
C. Du zwingst mich auszusprechen, was ich schon lange zu sagen wünschte, und doch bringe ich die S. 469 Worte, die mir auf der Zunge liegen, nicht über meine Lippen.
A. Wer hindert dich denn, deine Ansicht zu äußern. Entweder ist das, was du vorbringen willst, gut, dann darfst du uns das Gute nicht vorenthalten, oder es ist schlecht. Dann hast du nicht unseretwegen, sondern aus Scham geschwiegen.
C. Nun, dann will ich mit meiner Meinung nicht länger zurückhalten. Deine ganze Erörterung läuft darauf hinaus, daß du die Natur anklagst und die Schuld auf Gott schiebst, der den Menschen so, wie er ist, erschaffen hat.
A. Das also ist es, was du sagen und wieder nicht sagen wolltest? Ich bitte dich, sprich es nur frei aus, damit alle sich an deiner Klugheit erbauen. Du tadelst Gott, weil er den Menschen als Menschen erschaffen hat? Dann möchten auch wohl die Engel sich tadelnd darüber auslassen, daß sie Engel geworden sind. Schließlich mag jedes Geschöpf darüber Streit anfangen, warum es gerade das ist, als was es erschaffen wurde, und nicht das, als was es hätte erschaffen werden können. Am Ende muß ich mich noch nach Knabenart mit einer Redeübung produzieren, mit dem Floh und der Ameise anfangen und hinaufsteigen bis zu den Cherubim und Seraphim, um zu zeigen, warum die einzelnen Geschöpfe nicht in einem höheren Zustande erschaffen worden sind. Wenn ich so bei den hohen Mächten angelangt bin, dann werde ich die Disputation weiterführen und fragen, warum Gott allein Gott ist und nicht alles zu Göttern gemacht hat. Nach deinem Dafürhalten fehlt es ihm entweder am Können, oder er wird der Gehässigkeit schuldig sein. Tadele ihn doch auch, weil er zuläßt, daß es einen Teufel in dieser Welt gibt, und schaffe auch die Siegeskrone ab, nachdem du den Kampf abgeschafft hast!
C. Ich bin nicht so wahnsinnig, daß ich Klagen führen sollte über die Existenz des Teufels, durch dessen Neid der Tod in den Erdkreis kam1. Aber das schmerzt mich, daß kirchliche Männer, dazu noch S. 470 solche, die sich den Titel eines Lehrers anmaßen, den freien Willen ausschließen; wer ihn aber ausscheidet, der bekennt sich damit zur Sekte der Manichäer2.
A. Ich soll die freie Willensentscheidung ausschließen? Habe ich doch in meiner ganzen Erörterung nichts anderes getan, als daß ich der göttlichen Allmacht zusammen mit der freien Willensentscheidung ihr Recht wahrte.
C. Wie behältst du denn die freie Willensentscheidung bei, da du doch sagst, der Mensch könne nichts vollbringen, außer wenn Gott ihm ständig hilft.
A. Wenn derjenige eine Schuld auf sich lädt, der neben der freien Willensentscheidung die göttliche Hilfe auf den Plan ruft, dann verdient einer wohl gelobt zu werden, wenn er die göttliche Hilfe ablehnt?
C. Ich schließe den Beistand Gottes nicht aus, denn durch seine Gnade können wir alles, was wir können. Doch beides hat seine Grenzen. Der Gnade Gottes ist es zugute zu halten, daß sie uns die Möglichkeit der freien Willensentscheidung gegeben hat. Sache unseres Willens ist es, etwas zu tun oder nicht zu tun. Jene, die es tun, erwartet Lohn, die anderen, die es nicht tun, Strafe.
