17.
C. Ich kann nicht länger zurückhalten. Jede Geduld reißt bei euren boshaften Worten. Sage mir doch, wodurch haben denn die kleinen Kinder gesündigt? Bei ihnen kann weder von einer bewußten noch von einer unbewußten Sünde die Rede sein, da sie ja, wie der Prophet Jonas sagt, die rechte Hand nicht von der linken unterscheiden können1. Sie können nicht sündigen und sollen zugrunde gehen können? Sie stehen noch nicht fest auf ihren Füßen, bei ihrem Wimmern läßt sich noch kein Wort unterscheiden, man lacht über ihre stammelnde Sprache, und diesen Unglücklichen sollen die Qualen der ewigen Verdammnis bevorstehen?
A. Ach, nachdem deine Schüler sich schon zu Lehrern umgebildet haben2, fängst du an, allzu beredt, um nicht zu sagen ein Schönredner, zu werden. Antonius freilich, ein hervorragender Redner, den auch Cicero lobt, sagt, er habe viele wortgewandte Menschen getroffen, aber noch keinen eleganten Redner3. Fange doch nicht an, mir mit oratorischen Floskeln zu kommen, die doch nicht dein Eigentum sind! Damit kann man unerfahrene Ohren und Kinder täuschen. Tu mir in schlichten Worten deine Meinung kund!
C. Ich sage, du mögest mir doch wenigstens zugeben, daß die ohne Sünde sind, die gar nicht sündigen können.
A. Dies gebe ich zu, vorausgesetzt, daß sie im Namen Christi getauft sind. Aber ich stimme dir nicht insofern zu, als du gesagt hast, der Mensch könne ohne S. 493 Sünde sein, wofern er es wolle. Bei den kleinen Kindern darf weder von Können noch von Wollen die Rede sein. Vielmehr entbehren sie jeder Sünde durch die Gnade Gottes, welche ihnen in der Taufe zuteil geworden ist.
C. Du zwingst mich, gehässig zu werden und dir zu sagen: „Worin haben sie denn gefehlt, daß du sofort gegen mich mit Steinen aus der Menge wirfst und mich, da es der Tat nach nicht geht, mit dem Willen tötest?“
A. Der tötet den Häretiker, der zuläßt, daß er in der Häresie verbleibt. Übrigens soll meine Zurechtweisung eine Wiedererweckung zum Leben sein; du sollst der Irrlehre absterben und für den katholischen Glauben neu aufleben.
C. Wenn ihr wißt, daß wir Häretiker sind, warum klagt ihr uns nicht an?
A. Weil der Apostel Paulus an mich die Mahnung richtet, den Umgang mit einem Häretiker nach der ersten und zweiten Zurechtweisung aufzugeben, nicht aber ihn anzuklagen, da er weiß, daß ein solcher verkehrt ist und durch eigenes Urteil sich verdammt4. Außerdem finde ich es sehr töricht, mich in der Einschätzung meines Glaubens von dem Urteile eines andern abhängig zu machen. Soll ich etwa sofort meine Zustimmung geben, wenn ein anderer dich für katholisch hält. Wer dich verteidigt und so einem Irrlehrer den rechten Glauben zuspricht, der rettet hierdurch nicht deinen guten Ruf, sondern lädt den Vorwurf eines heimtückischen Wesens auf sich5. Die große Zahl deiner Genossen6 wird nicht darauf schließen lassen, daß du Katholik, sondern daß du Häretiker bist. Vielmehr möge sie der Fuß der Kirche zertreten, auf daß man weinenden Kindern kein traurigeres Schreckbild vorhalten kann. So hoch möge S. 494 uns die Furcht Gottes stehen, daß wir jede andere Furcht gering schätzen. Im übrigen fordere ich dich auf, zu verteidigen, was du glaubst, oder zu verlassen, was du nicht verteidigen kannst. Einen jeden aber, den du zu deiner Verteidigung vorführst, darfst du deinen Genossen, nicht aber deinen Anwalt nennen.
Jon. 4, 11. ↩
Caelestius, der im ganzen Streite viel mehr in den Vordergrund trat als Pelagius. Vgl. auch epist. 133 ad Ctesiphontem c. 5: Unus discipulorum eius, imo iam magister et totius ductor exercitus. ↩
Cicero, Orator 5, 18; De oratore I, 21, 94. ↩
Tit. 3, 10 f. ↩
Hieronymus hat hier sicher bestimmte Persönlichkeiten ins Auge gefaßt. Es dürfte Johannes von Jerusalem gemeint sein, der auf einer Synode zu Jerusalem im Juni 415 auf Anklage des Orosius hin den Pelagius zur Rechenschaft zog, aber einer Erledigung des Streites bei seinem schlechten Willen aus dem Wege ging. Vgl. Kirchenlexikon² IX, 1761 f. (Peters, Pelagius). ↩
Ironisch. ↩
