4. Kap. Die zweite Bitte.
Dieser Form gemäß fügen wir hinzu: „Dein Wille geschehe, wie in den Himmeln, also auch auf Erden“, nicht, als wenn jemand dem Vollzug des Willens Gottes im Wege stände und wir ihm Gelingen seines Willens wünschten, sondern wir bitten, daß sein Wille in allen geschehe. Nach der figürlichen Auslegung von Fleisch und Geist sind wir nämlich der Himmel und die Erde. Aber auch wenn man S. 252es buchstäblich verstehen muß, ist der Sinn der Bitte doch eben derselbe, nämlich, daß der Wille Gottes in uns auf Erden geschehe, damit er auch im Himmel an uns geschehen könne. Was anderes will Gott, als daß wir gemäß seiner Lehre und Zucht wandeln? Wir bitten mithin, er möge uns den Inhalt und den Reichtum seines Willens verleihen, damit wir gerettet werden im Himmel und auf Erden; denn sein höchster Wunsch ist das Heil derer, die er zu Kindern angenommen hat. Es ist auch das der Wille Gottes, was der Herr1 ausgeübt hat in seinem Predigen, Wirken und Leiden. Wenn er nämlich selbst sagt, daß er nicht seinen Willen, sondern den des Vaters tue2, so war das, was er tat, ohne Zweifel der Wille des Vaters, wozu wir gleichsam wie nach einem Muster jetzt aufgefordert werden, zu predigen, zu wirken und zu leiden bis zum Tode. Damit wir diese Forderung erfüllen können, bedarf es des Willens Gottes3. Ebenso wenn wir sagen, es geschehe dein Wille, so wünschen wir uns damit etwas Gutes, weil nichts Böses im Willen Gottes liegt, auch wenn er gemäß dem Verdienst eines jeden etwas Gegenteiliges auferlegt. Durch diesen Ausdruck ermahnen wir uns auch zum geduldigen Ertragen, Auch der Herr hat, da er in der Art und Weise seines Leidens schon an seinem eigenen Fleische die Schwäche des Fleisches darlegen wollte, gesagt:„Vater, nimm diesen Kelch von mir hinweg“, und sich besinnend: „Doch nicht mein Wille geschehe, sondern der deinige“4. Er selber war der Wille und die Macht des Vaters, und doch übergab er sich zum Erweise der schuldigen Geduld dem Willen des Vaters.
