7. Kap. Die fünfte Bitte.
Nach Berücksichtigung der Freigebigkeit Gottes wäre es nun an der Reihe, auch um seine Nachsicht zu flehen, Denn was hilft uns die Nahrung, wenn wir in Wahrheit so für sie bestimmt sind, wie der Stier zum Schlachten? Der Herr wußte wohl, daß er allein ohne Fehler sei. Daher lehrt er uns bitten: Vergib uns S. 255unsre Schulden. Die Bitte um Nachsicht ist schon ein Schuldbekenntnis1, weil, wer um Nachsicht bittet, sein Vergehen eingesteht. Daher wird auch die Buße als Gott wohlgefällig hingestellt, da er diese lieber will als den Tod des Sünders. „Schulden“ ist in der Hl. Schrift ein bildlicher Ausdruck für Vergehungen, weil sie ja in ähnlicher Weise vor Gericht anhängig gemacht und von diesem beigetrieben werden und der gerechten Beitreibung nur dann entgehen, wenn die Beitreibung erlassen wird, wie der Herr jenem Knechte die Schuld nachließ. Auf letzteres bezieht sich nämlich das in der Parabel enthaltene Gleichnis. Denn auch der Zug, daß der Sklave, vom Herrn losgelassen, nicht seines Schuldners in gleicher Weise schont, deswegen beim Herrn angezeigt und den Schergen übergeben wird, bis er den letzten Heller bezahlt hat, d.h. bis auf die geringste Schuld2 - das geht darauf hinaus, daß auch wir bekennen, unsern Schuldnern nachsehen zu wollen. Ferner heißt es an einer ändern Stelle in derselben Art zu reden; „Lasset nach, und es wird euch nachgelassen werden“3. Und da Petrus fragte, ob man dem Bruder siebenmal nachlassen müsse, antwortete Christus: „Nein, siebzigmal siebenmal“4, um dadurch das Gesetz, daß in der Genesis für Kain siebenmal, für Lamech aber siebzigmal siebenmal Rache angerechnet wurde5, zu verbessern und zu reformieren.
