Erster Artikel. Jegliches Ergötzen ist eine Milderung für die Trauer.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Nur weil das Ergötzen der Trauer entgegengesetzt ist, könnte es ein Heilmittel dagegen sein. Nicht jegliches Ergötzen aber ist entgegengesetzt jeder Trauer. Also nicht jedes Ergötzen mildert die Trauer. II. Manche Ergötzlichkeiten verursachen Trauer: „Der Schlechte ist traurig, weil er sich ergötzt hat,“ heißt es 9 Ethic. 4. Also heilt nicht jedes Ergötzen die Trauer. III. Augustin sagt (4. Conf. 7.), „er wäre vom Vaterlande geflohen, weil er da gewohnt gewesen sei, mit einem Freunde zu verkehren, der gestorben, war.“ „Denn weniger suchten ihn seine Augen, wo sie ihn zu sehen nicht gewohnt waren.“ Daraus kann entnommen werden, daß das, worin wir mit den gestorbenen oder abwesenden Freunden Gemeinschaft hatten, uns ihren Tod oder ihre Abwesenheit noch trauriger macht. Am meisten aberwaren wir mit ihnen zusammen in den Ergötzungen. Also diese Ergötzungen selber machen den Schmerz lästiger, anstatt ihn zu mildern. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (7 Ethic. ult.): „Das Ergötzen treibt die Trauer aus.“
b) Ich antworte, das Ergötzen sei eine gewisse Ruhe im zukömmlichen Guten; die Trauer aber betrifft das, was dem Begehren widerstrebt. Also verhält sich das Ergötzen zur Trauer, wie die Ruhe zur Ermüdung; denn die Trauer selber schließt eine gewisse Ermüdung oder Kränklichkeit der begehrenden Kraft in sich ein. Wie also jede Ruhe des Körpers ein Heilmittel ist gegen jede Ermüdung, aus welcher Ursache auch immer dieselbe komme; so ist jedes Ergötzen ein Heilmittel für jede Trauer.
c) I. Wenn auch nach der besonderen einzelnen Gattung nicht jedes Ergötzen jeder Trauer entgegensteht, so doch gemäß der allgemeinen „Art“; und sonach ist, infolge der Verfassung des Subjekts, nämlich des sinnlichen Begehrens, jede Ergötzlichkeit eine Milderung für jede Trauer. II. Die Ergötzlichkeiten der Bösen verursachen nicht im Augenblicke selber Traurigkeit, sondern später, insofern die Bösen Reue haben über die Übel, woran sie sich ergötzten; und diese Trauer wird geheilt durch den Gegensatz, das Ergötzen. III. Wenn zwei Ursachen zu zwei einander entgegengesetzten Bewegungen bestimmen, so hindert die eine die andere; jene aber siegt am Ende, die länger andauert und stärker ist. In demjenigen aber, welcher trauert über das, worin er mit seinem toten oder abwesenden Freunde Gemeinschaft hatte und worin er sich mit ihm ergötzte, bestehen solche zwei Ursachen, die zu zwei einander entgegengesetzten Bewegungen hinneigen. Denn der Tod oder die Abwesenheit verursacht Trauer; das Gute aber, was in seiner Erinnerung gegenwärtig ist, neigt zum Ergötzen hin. Also wird das eine Gefühl durch das andere gemindert. Weil jedoch das ihm gegenwärtige Gute und die Liebe zu sich selber stärker ist wie das vergangene Böse, der Tod nämlich oder der abwesende Freund, deshalb wird das Ergötzen Sieger bleiben, weshalb Augustin hinzufügt: „Den früheren Arten Ergötzungen machte Platz der Schmerz um ihn.“
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