Dritter Artikel. Das Beileid der Freunde mildert den Schmerz.
a) Dies scheint nicht so. Denn: I. Augustin sagt (8. Conf. 4.): „Wenn man sich mit vielen zusammen freut, dann ist in den einzelnen reichlichere Freude; denn sie eifern sich gegenseitig an und werden entflammt der eine durch den anderen.“ Also ist das Gegenteil bei der Trauer der Fall. Je mehr zusammen trauern, desto größer ist die Trauer des einzelnen; denn vom Gegensatze einer Ursache geht auch die gegenteilige Wirkung aus. II. Dies erfordert nach Augustin (4. Conf. 8.) die Freundschaft, daß man wieder liebt. Der Freund des Traurigen aber trauert über den Schmerz des Freundes. Der Schmerz selbst des Freundes also ist dem Traurigen der Grund neuen Schmerzes; und so vermehrt sich vielmehr auf Grund der Freunde der Schmerz. III. Jeder Schmerz des Freundes ist betrübend, wie das eigene Übel. Denn der Freund ist das andere Selbst. Also die Freundschaft erweitert den Umkreis der Trauer. Auf der anderen Seite heißt es 9 Ethic. 11.: „In der Traurigkeit ist der mitleidende Freund ein Trost.“
b) Ich antworte; ganz der Natur der Sache nach ist der mitleidende Freund in der Trauer ein Trost. Aristoteles berührt l. c. zwei Gründe: 1. Da die Trauer beschwert, hat sie den Charakter einer gewissen Last. Sieht also der Traurige, daß andere mit ihm traurig seien, so vollzieht sich in ihm die Vorstellung, daß andere mit ihm seine Last tragen und daß er sonach erleichtert wird. 2. Der Traurige nimmt bei dem Beileide, das Freunde mit ihm haben, wahr, daß diese ihn lieben; und das ist ergötzlich. Da aber alle Ergötzung die Trauer mindert, so folgt aus dem Beileide der Freunde eine Minderung des Schmerzes. Dieser letzte Grund ist besser wie der erhe.
c) I. In Beidem offenbart sich die Freundschaft, daß die Freunde sich mitfreuen und daß sie bei der Trauer mittrauern. Also Beides ist als Zeichen der Liebe ergötzlich. II. Der Schmerz des Freundes an sich möchte betrüben; aber die Ursache desselben, die Liebe, tröstet beim Beileide. Ebenso auf III.
